Man tut, was man kann (German Edition)
sehnlicher, als deine Frau zu werden», sage ich feierlich. Wenigstens ein Satz, der den Tatsachen entspricht, denke ich dann.
«Ja», haucht Biggi ergriffen. «Das stimmt. Ich will deine Frau werden.»
Ein banger Moment der Stille, dann küssen sich die beiden.
Ich wende mich diskret ab. Offenbar gefällt es Gott, dass ein Spanier mit dem Gemüt einer einfältigen Amsel und eine Wuchtbrumme mit goldener Satinbettwäsche eine Schar von Kindern zeugen, die zwar alle nicht bis drei zählen können, aber vielleicht großes Geschick im Flicken von Fischernetzen entwickeln. Mir soll es recht sein.
«Tengo la camisa negra», pfeife ich, als ich etwas später auf die Straße trete. Rodriguez hat mich zwar überreden wollen, Trauzeuge zu werden, aber ich konnte ihm überzeugend darlegen, dass dies mit meinem Geiselschutzprogramm unvereinbar wäre. Außerdem sagte ich ihm, ich würde Wort halten und nun aus dem Leben der beiden für immer verschwinden. Selbstredend wünschte ich ihnen alles Glück der Welt. Kurzum, es war ein tränenreicher Abschied, und ich glaube, so elegant habe ich mich noch nie aus einer Affäre ziehen können.
Ich sehe auf die Uhr. Soll ich nochmal im Büro vorbeischauen? Ich habe keine Lust dazu. Ich rufe Frau Hoffmann an.
«Irgendwas Besonderes?»
«Dr. Görges möchte Sie sprechen. Wenn Sie es einrichten können, auf einen Drink heute Abend.»
«Okay», sage ich, und Frau Hoffmann gibt mir die nötigen Informationen.
«Außerdem habe ich Gallagher erreicht», sagt sie dann.
«Und?»
«Ich soll Ihnen wörtlich sagen, Sie können ihm mal den Hintern küssen.»
«Das haben Sie sicher falsch übersetzt», entgegne ich.
«Tell him he can kiss my ass», sagt Frau Hoffmann trocken. «Wie würden Sie das übersetzen?»
Gut, ich gebe zu, der Satz bietet doch nicht so viel Spielraum wie ursprünglich von mir vermutet. Hätte ich mir gleich denken können, dass Gallagher ein nachtragender Spießer ist. Vor ein paar Jahren habe ich ihm am Eröffnungsabend eines Kongresses versehentlich eine Bloody Mary auf den Anzug gekippt. Da es der einzige Anzug war, den er bei sich hatte, musste er den Kongresstag in einem geliehenen Jogginganzug verbringen, was ein wenig so aussah, als hätte sich ein Frührentner auf dem Weg zum Wettbüro verlaufen. Ich dachte, Gallagher hätte es mit Humor genommen, hat er aber wohl nicht.
«Und sonst?», frage ich.
«Sieht schlecht aus», erwidert Frau Hoffmann sachlich. «Donovan arbeitet nicht mehr in Detroit. Singer sitzt wegen Bilanzmanipulationen im Gefängnis, und Gallagher will …»
«Ich weiß», unterbreche ich sie leicht genervt. «Gallagher will, dass ich ihm den Hintern küsse. Schon verstanden, Frau Hoffmann. Und wer wirft jetzt ein Auge auf meine lesbische Tochter?»
Es muss wohl leicht verzweifelt geklungen haben, denn Frau Hoffmann seufzt und sagt: «Ich überlege nochmal, wer in Frage kommen könnte.»
«Danke», erwidere ich und lege auf.
Die Zeit bis zum Drink mit Görges werde ich nutzen, um mich ein wenig frischzumachen. Bronko habe ich freigegeben, er muss mich schließlich nicht auch noch zu Rendezvous chauffieren. Vielleicht sollte ich mir eine gemächliche Fahrt mit der U-Bahn gönnen, so wie viele andere Werktätige, denke ich und sehe Gott sei Dank einen Taxistand.
Zu Hause erwartet mich die zweite musikalische Darbietung des Tages. Bronko spielt auf Schamskis Klavier eine melancholische Weise. Schamski steht daneben, dreht nachdenklich einen Drink im Glas und raucht. Günther sitzt etwas abseits und sieht unbeweglich aus dem Fenster. Seit Schamskis Vortrag hat Günther nicht mehr gesprochen. Er hockt bewegungslos in der Wohnung, stiert vor sich hin und erinnert mich an Quequec aus «Moby Dick».
Es stellt sich heraus, dass Bronko mir dafür danken wollte, dass er bei mir wohnen darf, weshalb er einen befreundeten Musiker gebeten hat, das Klavier zu stimmen, selbstredend in dem Glauben, es sei mein Klavier und nicht Schamskis. Ich bin trotzdem gerührt.
Als ich das Duschwasser abdrehe, plätschert gerade Schumanns Träumerei durch die Wohnung. Ich halte einen Moment inne und höre zu. Warum spiele ich eigentlich nicht mehr? Es muss über zehn Jahre her sein, dass ich den Umzug in diese Stadt zum Anlass genommen habe, mein Klavier zu verkaufen. Eigentlich wollte ich mir ein neues zulegen, aber dazu ist es irgendwie nie gekommen. Wieso verliert man immer alles Mögliche?
Görges hat für unser Treffen eine mondäne Hotelbar
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