Man tut, was man kann (German Edition)
zu groß ist. Ich kann nicht beurteilen, ob sie in einem knappen Abendkleid attraktiver aussähe. Vermutlich würde sie mich so und so um den Verstand bringen.
Fred steht auf dem OP-Tisch und macht einen lässigen Eindruck. Er lässt sich betasten und untersuchen, als wäre er ausgezeichnet sozialisiert und perfekt ausgebildet.
«Erstaunlich, wie sich Felix bei Ihnen entwickelt hat», lächelt Iris, und es ist dieses umwerfende Lächeln, das mich schon bei unserer ersten Begegnung in den Bann geschlagen hat.
«Wahrscheinlich geht es ihm einfach ganz gut», entgegne ich locker und versuche, mit ihrem Strahlen mitzuhalten, was mir aber nicht annähernd gelingt.
Unsere Blicke treffen sich. Sie weiß, dass ich sie beobachtet habe, erspart mir aber einen Kommentar. «Sie können ihn loslassen. Wir sind fertig.»
Ich lasse Fred los, tätschle ihm den Kopf. Er hechelt zufrieden, springt dann vom OP-Tisch.
«Es ist alles in Ordnung», sagt Iris, derweil sie ihre Unterarme entblößt und damit beginnt, sich gründlich die Hände zu waschen.
Unser Abschied naht, irgendwie bin ich noch nicht darauf vorbereitet. Wer weiß, ob wir uns je wiedersehen werden.
«Wir müssen also nicht mehr wiederkommen?», frage ich, und mein Tonfall erinnert vermutlich an eine Abschiedsszene in einem klassischen Hollywood-Western.
Sie wendet sich um, sieht mich an, derweil sie die Hände trocknet. «Nein. Medizinisch gesehen ist mit Felix alles in Ordnung.»
Schön und gut, aber ich könnte emotional gesehen schon noch ein paar Sitzungen vertragen. «Ja dann», sage ich etwas hilflos und beginne, Felix Leine und Maulkorb anzulegen. «Es war mir jedenfalls ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.» Ich reiche ihr die Hand, sie ergreift sie, und ich spüre ihre weiche Haut. Damit ich sie nicht auf der Stelle zu mir ziehe und zu küssen versuche, löse ich rasch und vorsichtig den zarten Händedruck und wende mich zum Gehen.
Ich stehe schon in der Tür, als ich mich frage, ob ich jetzt einfach so verschwinden kann oder ob ich ihr sagen muss, was ich für sie empfinde. Sie ist so gut wie verheiratet, denke ich dann. Es hat schlicht keinen Sinn.
Ich öffne die Tür, bin im Begriff, einen Fuß ins Freie zu setzen.
«Wollen Sie eigentlich immer noch mit mir ausgehen?», fragt sie leichthin. Ich zweifle einen Moment, ob ich da gerade tatsächlich gehört habe, was ich zu hören glaubte, und wende mich überrascht um.
«Ich meine kein Rendezvous», sagt sie lächelnd, «nur ein Abendessen.»
Gute Frage, Iris. Die Vorstellung, dich vielleicht nie wiederzusehen, macht mir das Herz gerade schwer wie den Meteoriten, der die Dinosaurier ausgelöscht hat. Andererseits fühle ich mich emotional trotzdem noch so stabil, dass ich keine Dummheiten machen werde. Wer weiß, wie das sein wird, wenn wir miteinander essen waren. Vielleicht bin ich dann endgültig verloren und muss deine Hochzeit zum Platzen bringen. Vielleicht werde ich dort auch Amok laufen. Vielleicht werde ich deine Schwester heiraten, nur um dich ab und zu wiederzusehen. Hast du überhaupt eine Schwester? Vielleicht werde ich auch fortan meine Nächte auf diversen Brücken zubringen und daran arbeiten, eines Tages hinunterzuspringen. Wer weiß.
«Gerne», entgegne ich und ahne schon jetzt, dass ich mir gerade wahrscheinlich einen Berg von Problemen aufhalse. Das aber tue ich immerhin mit einem Lächeln.
Den Abend verbringe ich mit gemächlichen Reisevorbereitungen. Bronko liegt auf dem Sofa, trägt Kopfhörer und hat Mozarts c-Moll-Messe auf «repeat» gestellt, ansonsten hört man nur das einschläfernde Klappern von Günthers Tastatur.
Es ist noch früh, als Schamski heimkehrt.
«Kein schöner Abend mit Maike?», frage ich leicht erstaunt.
«Ein phantastischer Abend», entgegnet Schamski bester Laune, «ich habe nur das Gefühl, ich darf bei dieser Frau jetzt nichts überstürzen.»
Sein Handy summt, er zieht es hervor, blickt aufs Display, hat offenbar eine Textnachricht bekommen. «Planänderung», sagt Schamski, «sie wartet auf mich in einem Hotel ein paar Blocks weiter. Wir werden also jetzt doch alles überstürzen. Schönen Abend zusammen.» Er winkt zum Abschied, die Tür fällt ins Schloss.
Als Bronko mich am nächsten Morgen zum Flughafen fährt, stelle ich mit Genugtuung fest, dass mein dezenter Hinweis, er könne vielleicht seine fahrerischen Fähigkeiten noch optimieren, Früchte getragen hat. Durch hartes und ausdauerndes Training erreicht Bronko außerstädtisch
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