Man tut, was man kann (German Edition)
seine nächsten Besuche im Pan Tao zu haben.
Ich erklärte ihm zwar mit der Engelsgeduld eines Sonderschullehrers, dass Iggy vermutlich auf der Vernissage alle Hände voll zu tun haben würde und ihn deshalb vielleicht nicht einmal zur Kenntnis nähme und sie zudem nicht der Bilder wegen dort sei, weshalb ich den Abend als Basis für künftige Gespräche für eher nicht geeignet hielt. Aber Günther, überzeugt davon, dass die Götter ihm wohlgesinnt waren, ließ sich nicht beirren. Derweil ich mit Kathrin parlierte, scharwenzelte er so lange um Iggy herum, bis die ihm ein Glas Sekt anbot und dabei «Hallo» sagte, wobei Günther später Stein und Bein schwor, sie hätte ihn erkannt.
Für Günther war damit das nächste Etappenziel seines vermutlich hundert Jahre währenden Werbens um Iggy erreicht, er steuerte direkt auf mich und Kathrin zu und erklärte, er müsse sich jetzt ein wenig die Beine vertreten, ihm sei nicht wohl. Auch das ist normal. Sobald Günther seine herkulischen Pläne in die Tat umgesetzt hat, spielt sein Kreislauf verrückt. Oder sein Magen. Oder beides.
«War das dein Freund?»
Ich nickte und sah Kathrin an, dass Günther nicht mal für Bruchteile von Sekunden auch nur in die Nähe ihrer Kandidatenliste gekommen war, was ich heimlich gehofft, aber auch nicht wirklich geglaubt hatte.
«Ich kümmere mich besser mal um ihn», raunte ich Kathrin zu und machte Anstalten, zu gehen.
«Telefonieren wir mal?»
«Klar, warum nicht?», erwiderte ich und stellte im nächsten Moment fest, dass ich es genauso lustlos meinte, wie es wohl geklungen hatte.
Kathrin ignorierte den Tonfall, zog ein Stückchen Papier hervor, riss es in zwei Teile, schrieb ihre Nummer auf eines der beiden und reichte mir das andere Stück, zusammen mit dem Kugelschreiber. In meinem Alter schreibt man übrigens auch keine falschen Telefonnummern mehr auf.
Draußen fand ich Günther gegen eine Laterne gelehnt, etwas blass um die Nase, aber offenbar auch beschwingt, weil sein kniffliger Plan so über die Maßen gut funktioniert hatte.
«Geht’s dir gut? Soll ich dich nach Hause fahren?»
«Lass uns noch irgendwo ’n Drink nehmen», erwiderte Günther.
Auch das gehörte zum Ritual von Günthers seltsamen Rendezvous, nämlich das liebevolle und penible Auswerten der erreichten Ziele.
Da ich das wusste, war ich beim Betrachten von Bronkos Bildern schon mal im Geiste das umliegende Angebot an Bars durchgegangen und hatte versucht, mir das jeweilige Getränkeangebot zu vergegenwärtigen.
Meine Wahl war auf einen Laden nur zwei Blocks entfernt gefallen. Zwar erinnerte ich mich, dass die Bardame aussah wie ein Transvestit und die Inneneinrichtung offenbar von Bronko entworfen worden war, aber sie hatten ein paar passable Weine auf der Karte.
Den Rest des Abends verbrachten Günther und ich übrigens damit, die mannigfaltigen Bedeutungen des Wortes «Hallo» zu erörtern.
ICH RUF DICH AN
Ich habe gerade zum zweiten Mal mit Kathrin geschlafen. Jetzt versuche ich nach meinem Saftglas zu greifen, ohne sie aufzuwecken, denn sie ist in meinem Arm eingenickt. Als ich mich vorsichtig bewege, stöhnt sie leise, rollt sich auf die andere Seite des Bettes und schläft weiter.
Gelegenheit für mich, einen kräftigen Schluck Apfel-Möhre-Fenchel-Saft mit einem Hauch Sellerie zu kippen und danach das Gesicht zu verziehen, als hätte man mir gerade in die Weichteile getreten. Wenn wir eine Zukunft haben wollen, Kathrin, dann müssen wir dringend über deine Saftrezepte reden. Aber wir haben ja glücklicherweise keine Zukunft.
Ich sitze auf der Bettkante und überlege, ob ich nach Hause fahren soll. Es ist ungefähr Mitternacht. Ich könnte Kathrin einen Zettel hinlegen. «Guten Morgen! Wollte dich nicht aufwecken, muss aber sehr früh raus und bin deshalb nach Hause gefahren. Schönen Tag! Ich ruf dich an.»
Die romantische Variante wäre, irgendwo in der Wohnung eine Blume aufzutreiben und sie in ein Glas zu stellen, um damit den Zettel zu beschweren. Optional könnte man noch einen Saft pressen und ihn zusätzlich ans Bett stellen, neben Blume und Zettel. Dann müsste aber auch der Text angepasst werden. «Guten Morgen! Hoffe, du hattest schöne Träume. Wäre jetzt sehr gerne bei dir, muss aber so früh raus, dass ich beschlossen habe, dich nicht zu wecken. Wünsche dir einen wundervollen Tag und würde mich wirklich freuen, wenn wir heute telefonieren könnten. Lieber noch würde ich dich sehen … Kuss, Paul.»
Als ich etwas
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