Manche Maedchen muessen sterben
in Schwierigkeiten, Mr. Riley.«
Er nickt und füttert Hope mit einem weiteren Löffelvoll. »Du siehst beschissen aus.«
Mir wird bewusst, wie vollkommen unangemessen diese Szene auf jeden anderen Zuschauer wirken muss: Ich, wie ich um sieben Uhr morgens in der Küche meines Trainers stehe, der mir sagt, dass ich beschissen aussehe. Ich, wie ich zusehe, wie er sein Baby füttert, während seine Frau ein Stück weiter den Flur entlang schläft und ihr Ehemann die vertrauliche Ruhe des frühen Morgens mit einem atemlosen Teenagermädchen teilt.
Doch nichts hieran ist anrüchig. Das weiß ich mit Sicherheit. Ich glaube nicht, dass mir dieser Umstand jemals bewusst geworden ist, solange ich am Leben war, doch jetzt scheint es mir offensichtlich: Da mein richtiger Dad seit dem Tod meiner Mutter praktisch nie zu Hause war und mich, wenn er denn mal daheim war, so ziemlich alles tun ließ, wonach mir der Sinn stand, war Mr. Riley nicht bloß mein Trainer und mein Vertrauter; er war für mich auch so eine Art Autoritätsperson. Was weiß er? Habe ich ihm erzählt, was los ist, bevor ich starb? Ich schaue weiter zu in der Hoffnung, mehr darüber zu erfahren.
»Ich meine es ernst. Ich stecke in großen Schwierigkeiten. Können Sie mir helfen?«
Mr. Riley hält inne, legt den Löffel weg und schaut sich einen Moment lang in der Küche um. Der Raum ist klein, aber heimelig, hell und warm, angenehm unordentlich mit herumstehendem Geschirr und Kaffeeflecken auf dem Küchentresen. Der Kühlschrank ist mit Familienfotos bepflastert. Ich nehme an, Mr. Rileys Frau wird erfahren, dass ich hier war, selbst wenn ich wieder verschwinde, bevor sie aufwacht. Mr. Riley scheint nicht der Schlag Mann zu sein, der vor den Menschen, die er liebt, Geheimnisse hat.
»Du könntest mit Mrs. Anderson reden. Hast du schon mal daran gedacht?«
Ich verschlucke mich fast an meinem Wasser. »Mit der Vertrauenslehrerin der Schule? Ist das Ihr Ernst? Sie geht zusammen mit meiner Stiefmutter zum Yoga.« Ich schüttle den Kopf. »Auf keinen Fall.«
»Wie wär ’s mit einem Psychologen? Ich kenne jemanden in der Stadt. Er ist Doktor der Philosophie. Sehr guter Mann.«
»Warum kann ich es nicht Ihnen sagen? Warum können Sie sich nicht einfach hierhersetzen und mir zuhören und ich erzähle Ihnen alles?« Ich nehme noch einen Schluck Wasser. »Ich möchte es Ihnen erzählen. Ich möchte, dass noch jemand anders Bescheid weiß.«
Mr. Riley sieht mich an, schaut Hope an, die immer noch lächelt, von meinem Gespräch mit ihrem Vater prächtig unterhalten. Dann schließt er die Augen. »Du solltest nicht herkommen. Falls dich jemand sieht, wie du so früh am Morgen in mein Haus kommst … Ich könnte meinen Job verlieren, Liz. Die Leute könnten einen falschen Eindruck gewinnen.« Er blickt auf seinen Aufzug hinunter, der spärlich genug ist, um als unangemessen ausgelegt zu werden: das dünne Unterhemd, barfuß, sein Gesicht unrasiert. Er ist gerade erst aus dem Bett gestiegen.
»Ich kann nirgendwo anders hingehen. Ich laufe und laufe, und es wird nie besser.« Ich höre mich verzweifelt an, flehend. »Ich kann an nichts anderes mehr denken. Ich kann damit nicht leben.«
»Ich sagte dir doch, es gibt da einen Psychologen …«
»Ich will Ihnen mal was über Psychologen erzählen. Sie kennen doch meinen Freund, Richie?«
Er verdreht die Augen. »Den Berühmten Richie Wilson, Dealer der Highschoolstars.«
»Sie können von ihm halten, was Sie wollen. Seine Eltern haben ihn letztes Jahr zu einem Seelenklempner geschickt. Er hatte drei Sitzungen mit dem Kerl, und er hat ihm anvertraut , dass er manchmal … Na ja, Sie wissen schon. Er verkauft ein bisschen Gras. Es dauerte keinen Monat, und der gute Doktor hat Drogen von meinem Freund geschnorrt. Sein Psychologe .« Ich setze mich an den Tisch und schiebe mein Wasserglas von mir. »Ich rede nicht mit irgendeinem Seelenklempner.«
Dann, während ich uns beide beobachte, tut Mr. Riley etwas, womit ich nicht rechne. Er lehnt sich quer über den Tisch und schließt seine Hand über der meinen. Allein vom Zusehen weiß ich, dass er sie fest umklammert hält. Ich versuche nicht, sie wegzuziehen.
»Liz. Elizabeth. Ich habe dich gern, aber das kann ich nicht machen. Du darfst nicht mehr hierherkommen. Ich kann meine Karriere nicht aufs Spiel setzen.« Er schüttelt nachdrücklich den Kopf. »Du musst mit einem erfahrenen Arzt reden. Mit jemandem, der dir wirklich helfen kann. Ich bin bloß dein Lauftrainer,
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