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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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wäre er entbehrlich, oder? Ich meine, die Leute brauchen doch immer Börsenmakler.« Josie ist offenkundig verwirrt. »Wer sollte sich sonst um ihre Investitionen kümmern?«
    »Vielleicht müssen wir unser Haus verkaufen.« Caroline blinzelt hastig, versucht, nicht zu weinen. »Letzten Monat konnten wir kaum die Rate für meinen Wagen zahlen.«
    Ich erinnere mich an das Geld, das sie aus meinem Badezimmer gestohlen hat, und mich überkommt eine Woge des Mitleids mit ihr. Ganz gleich, was ich damit vorhatte, ich zweifle nicht daran, dass Caroline etwas Besseres damit angefangen hat. Vielleicht hat sie die Rate für ihr Auto beglichen. Vielleicht hat sie es ihren Eltern gegeben.
    »Siehst du?« Ich stupse Alex an. »Meine Freunde haben auch Probleme. Es ist bestimmt nicht so, als wären wir alle bloß ein Haufen verzogener Gören.«
    Als Mera zu Ende geraucht hat, streift sie ihren Hut ab und nimmt sich einen langen Moment Zeit, um ihre blonden Locken freizuschütteln, so dass sie über ihre Schultern fallen. »Mach dich nicht verrückt. Du wirst nicht umziehen müssen. « Sie schnieft. »Ich nehme an, du könntest dir jederzeit – du weißt schon – einen Job suchen.«
    Carolines Gesicht nimmt eine tiefe Rotschattierung an. »Ich werde mir keinen Job suchen. Bevor ich das tue, würde ich lieber auf mein Taschengeld verzichten.«
    »Ja, genau«, stellt Alex fest. Meine Aussage scheint ihn fast zu amüsieren. »Ihr seid wirklich keine verwöhnten Gören. Offensichtlich habt ihr alle eure Prioritäten klar im Blick. Caroline klaut lieber das Geld ihrer toten Freundin, statt loszugehen und sich eine Arbeit zu suchen.«
    »Bitte, verratet es niemandem«, fleht Caroline meine Freundinnen an; ihre Stimme ist kaum lauter als ein Flüstern. »Es ist mir so peinlich. Meine Eltern sind am Durchdrehen. Meine Schwester muss vielleicht ein Semester lang am College pausieren, wenn mein Dad nicht bald eine neue Arbeit findet.«
    Gegen Meras Wagen gelehnt, zündet sich Topher eine weitere Zigarette an. »Entspann dich, Caroline. Alles kommt wieder in Ordnung.«
    Mera schaut zu ihrem Freund auf und schlingt ihren Arm um seine Hüfte. »Du bist immer so sachlich. Ich liebe dich.«
    Er zwinkert ihr zu. »Ich liebe dich auch, Süße. Hast du Kaugummi?«
    »Mach das aus.« Josie deutet auf die Zigarette. Sie beschattet ihre Augen mit der Hand und späht zum anderen Ende des Parkplatzes hinüber. »Da kommt jemand.« Dann, die Augen weiterhin zusammengekniffen, sagt sie: »Oh. Schon gut.« Sie kichert. »Es ist bloß Schrägauge Riley.«
    Mr. Riley unterrichtet gut und gerne vier Klassen am Tag. Er hat mir erzählt, dass er jede Gelegenheit nutzt, um auf den Pfaden laufen zu gehen, die sich durch die Wälder hinter dem Schulgelände winden, wenn er nicht lehrt oder in seinem Büro sitzt. Als er jetzt näher kommt, verlangsamt sich sein Lauf zu einem Joggen, doch meine Freunde machen keinerlei Anstalten, um ihr Tun zu verbergen. Sie sind draußen, obgleich sie eigentlich drinnen beim Mittagessen sein sollten. Sie hängen auf dem Parkplatz herum, was während der Schulstunden definitiv nicht erlaubt ist. Und sie rauchen. Aber sie wissen alle, dass Mr. Riley nicht den Nerv hat, irgendetwas dagegen zu unternehmen; er ist durch und durch ein Sonderling, und die Erfahrungen, die meine Freunde im Laufe der Jahre mit ihm gesammelt haben, haben gezeigt, dass er vor ihnen ebensolche Angst hat, wie wahrscheinlich auch vor den beliebten Kindern auf seiner eigenen Highschool, damals, als er noch jung war.
    Sein Gesicht ist gerötet und verschwitzt. Er beugt sich nach vorn, stützt seine Handflächen auf die Knie und versucht, sie mit seinem finstersten, einschüchterndsten Blick zu bedenken. Ich weiß, dass ich das nicht zulassen würde, wenn ich noch am Leben wäre und bei ihnen stehen würde. Dann hätte ich Topher aufgefordert, die Zigarette auszumachen. Ich hätte alle dazu gebracht hineinzugehen. Zumindest bilde ich mir das gern ein.
    »Eigentlich sollte ich euch alle ins Direktionsbüro schicken«, sagt er, richtet sich auf und streckt die Arme über seinen Kopf. »Ihr sollt doch ein Vorbild für die anderen sein. Ihr seid Sportler.«
    Beinahe augenblicklich, wie durch Zauberei, drückt Josie auf die Tränendrüse. »Wir hatten einen grässlichen Morgen. Unser Freund wird vermisst. Eigentlich sollten wir nicht einmal in der Schule sein.« Sie wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. Auf ihren Wangen funkelt Glitzerrouge. Als sie eine

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