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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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kann ihr nicht entfliehen. Doch wenigstens hat Alex mich nicht begleitet, dafür bin ich dankbar. Ich kann jede Ecke des hinteren Schlafzimmers mit seiner abblätternden limonengrünen Farbe und den fensterlosen Wänden ausmachen. Ich sehe meinen Körper auf der Matratze, die Sprungfedern, die gegen mein Rückgrat drücken. Es gibt kein Laken, bloß eine fadenscheinige, marineblaue, von weißen Flecken besudelte Überdecke. Ich habe BH und Slip an. Es ist ein zusammenpassendes Ensemble: hellrosa mit winzigen roten Bögen an den Rändern meiner BH-Träger; der Stoff spannt sich über meinen Hüftknochen. Vince liegt auf der Seite, mit freiem Oberkörper, über meinen Leib gebeugt. Mit einem dreckigen Zeigefinger zieht er langsam eine Linie von meinem Schlüsselbein durch das Tal zwischen meinen Brüsten bis ganz hinunter zu meinem Bauchnabel. Er schiebt seine Hand zu meiner Hüfte.
    »Du bist verdammt nochmal zu dürr«, knurrt er. »Wir sollten etwas mehr Fleisch auf deine Rippen kriegen.«
    Er versucht, mich zu küssen. Ich drehe meinen Kopf von seinem Gesicht weg, zusammenzuckend, als hätte ich körperliche Schmerzen. Als ich verfolge, wie die Szene vor mir weitergeht, muss ich beinahe würgen.
     
    »Liz.« Alex drückt meinen Arm. »Hey. Komm wieder zu dir.« Er nickt zu Vince und Joe. »Hör zu.«
    »Wir haben uns letzten Herbst kennengelernt«, sagt Vince, »als sie mit diesem anderen Kerl in meiner Werkstatt aufgetaucht ist. Es musste was an ihrem Wagen gemacht werden. Wir hatten sofort so was wie einen Draht zueinander. Sie hatte es satt, immer nur mit Samthandschuhen angepackt zu werden, wissen Sie?« Er schüttelt den Kopf, hustet ein paarmal und fährt dann fort. »Bei mir konnte sie sich entspannen. Ich ließ sie ganz sie selbst sein. Ich schätze, man könnte sagen, dass wir ein perfektes Arrangement hatten.«
    Joe rutscht auf seinem Platz umher. »Und was für eine Art Arrangement hatten Sie genau?«
    »Immer, wenn sie genug von ihrem Leben als Prinzessin hatte, kam sie zu mir rüber. Wir hatten Spaß zusammen. Sie verstehen doch, was ich meine?« Er hebt die Augenbrauen. »Aber wenn wir fertig waren, kehrte sie in ihr Leben zurück, zu ihren reichen Freunden und ihrem Freund und in die Highschool und zu diesem ganzen Schwachsinn. War alles ganz zwanglos. Aber, glauben Sie mir, sie hat die Sache genauso sehr genossen wie ich. Sie war eine Tigerin.«
    »Ich war noch Jungfrau«, sage ich kläglich. »Ich hätte nie mit ihm geschlafen. Ich habe mich für Richie aufgespart. Ich wollte nur mit Richie zusammen sein.«
    Alex sieht mich konzentriert an. »Weißt du was? Ich denke, das glaube ich dir sogar.«
    Zum ersten Mal, seit wir Vinces Apartment betreten haben, überkommt mich eine Woge der Erleichterung. »Im Ernst?«
    »Ja. Aber was hast du dann hier gemacht, Liz? Dafür muss es eine Erklärung geben, und ich weiß, dass die nicht so aussieht, dass du diesen Kerl tatsächlich gemocht hast.«
    Ich blicke auf meine Stiefel herab. Meine Zehen schmerzen so sehr, dass sie abgesehen von diesem beharrlichen, stechenden Gefühl fast gänzlich taub sind. Es tut so weh, dass ich beinahe wünsche, mir einfach die Füße abtrennen und den Schmerz hinter mir lassen zu können. Ich werfe Alex einen flehenden Blick zu.
    »Lass mich raten«, sagt er. »Jetzt willst du wirklich verschwinden. «
    Ich nicke.
    »Was denkst du, wo wir hingehen sollten? Wir wissen nicht, wo Richie ist.«
    »Ist mir egal.« Der Geruch in dem Apartment fängt an, mich zu überwältigen. Ich würde alles tun, um einer weiteren Erinnerung an Vince Aiello zu entgehen. Ich schließe die Augen und denke bei mir: Bring mich irgendwo anders hin.
     
    Vielleicht brauche ich die Katharsis. Die Erinnerung, in die ich allein entgleite, fühlt sich so gut an wie ein langes Bad in einer warmen Wanne. Es ist der Abschlussball der elften Klasse — dieselbe Nacht, wird mir bewusst, als Richie und ich Joe Wright begegneten, während unser Wagen am Strand parkte. Ich trug ein rosa Abendkleid mit Nackenträger und Trompetenrock. Während ich mich selbst betrachte, fällt mir ein, dass ich das Kleid vor dem großen Abend zweimal zum Umnähen bringen musste; so viel Gewicht hatte ich verloren.
    Richie war nie ein großer Tänzer. Ich liebte es zu tanzen, aber er benahm sich stets, als wäre er dafür zu cool. Allerdings kenne ich die Wahrheit: Er ist schüchtern, hat zu viel Angst davor, vor unseren Freunden und Klassenkameraden den Eindruck zu erwecken, als habe

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