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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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er nicht alles gänzlich unter Kontrolle; normalerweise blieb er dicht bei mir und schaukelte ein bisschen herum, um sich gerade nur so viel zu bewegen, dass er kein Risiko einging, sich zum Affen zu machen. An jenem Abend sind meine Freundinnen und ich alle beisammen und tanzen als Gruppe, während unsere Begleiter am Tisch sitzen und uns zuschauen. Im Saal, der nur von in Glasschüsseln schwimmenden Teelichtern erhellt wird, ist es dämmrig. Die Tische sind mit den Schüsseln geschmückt, die winzigen Flammen tauchen den ganzen Raum in Schatten, und überall zwischen den üppigen Blumenarrangements — drei oder vier Sträuße pro Tisch – funkelt Glitzerzeug und Konfetti. Es ist zauberhaft. Man ist bloß einmal so jung. Während ich zusammen mit Mera und Caroline und Josie auf der Tanzfläche stehe, grinsen wir vier so ausgelassen, dass wahrscheinlich unsere Wangen wehtun; ich habe meine Schuhe schon vor Stunden unter dem Tisch verstaut, damit ich tanzen kann, ohne dass meine Füße schmerzen, und ich entsinne mich, dass ich bei mir dachte: Hieran wirst du dich bis in alle Ewigkeit erinnern.
    Der Ball geht eigentlich bis Mitternacht, aber Richie und ich brechen schon um kurz nach elf auf.
    Wir sind von einer Stretchlimousine zum Ball gefahren worden. Unsere Freunde haben alle zusammengelegt, 17,65 Dollar pro Person; es ist erstaunlich, wie mir diese winzigen Einzelheiten jetzt alle wieder einfallen. Eigentlich sollte uns der Wagen die ganze Nacht lang überall dorthin bringen, wo wir hinwollten, doch Richie und ich haben nicht die Absicht, einfach mit der Limousine davonzufahren und alle anderen zurückzulassen. Es ist eine warme Nacht, und bis zu Richies Haus ist es ein Spaziergang von weniger als einer Meile. Wir können nicht hoch in sein Zimmer; seine Eltern sind ausnahmsweise einmal daheim. Also nehmen wir den SUV seiner Mom und fahren runter zum Strand, an den gewundenen Reihen verwaister Ferienhäuser entlang, bis wir eine lange Einfahrt finden, die zu einem offensichtlich leeren Haus führt. Wir parken ganz am Ende, dicht bei der Garage, und tun so, als würde dies alles uns gehören.
    Richie und ich sind schon so lange zusammen, dass wir praktisch überhaupt nicht miteinander sprechen müssen, um einander zu verstehen. Ich liebte es, mit ihm allein zu sein; ich liebte das tiefe, behagliche Schweigen zwischen uns, das von so vielen Jahren der Gespräche gewoben worden war, unsere Fähigkeit, die feinen Nuancen im Gesichtsausdruck des jeweils anderen zu lesen, in unserer Körpersprache, in unserer Atmung.
    Ich schaue vom Vordersitz aus zu, wie wir auf die Rückbank klettern und die Sitze in Liegeposition stellen. Behutsam, ganz sanft, mit Fingern, die ich mir weich und kühl vorstelle, mit ruhigem Atem, öffnet Richie den Reißverschluss meines Kleides. Ich fühle mich ihm so nah, dass ich seine Berührung beinahe spüren kann, obgleich ich nicht in meinem lebendigen Körper stecke. Ich schaue zu, wie ich aus meinem Abendkleid schlüpfe und es hinten über die Rückenlehne des Vordersitzes hänge. Ich trage keinen BH, bloß einen schlichten weißen Tanga, so schmal und dünn, dass es beinahe wirkt, als wäre ich nackt.
    Während er sich über mich kniet, lege ich mich flach auf den Rücken. Ich blicke zu Richie auf, der mich anschaut und seine Fliege lockert, fast ohne sich darüber im Klaren zu sein, was er da tut. Er legt seine Handfläche auf meinen Bauch, der aus nichts weiter als Haut über Muskeln zu bestehen scheint. Er beugt sich vor, um mich zu küssen.
    »Ich liebe dich«, sage ich zu ihm. Das habe ich im Laufe der Jahre schon eine Million Mal gesagt, doch diesmal ist es irgendwie anders. Etwas am Klang meiner Worte ist sonderbar.
    Er weicht zurück. Im Wagen ist es dunkel; im Mondlicht, das durch die Fenster hereinfällt, kann ich seine Augen leuchten sehen, doch es gelingt mir nicht, seinen Gesichtsausdruck zu lesen. »Tust du das?« In seiner Stimme schwingt Zweifel mit.
    »Richie, natürlich. Ich liebe dich unendlich.«
    Er fährt mit der Fingerspitze die Umrisse meiner Rippen nach, die unter meiner Haut deutlich sichtbar sind. »Es ist, als würdest du verschwinden«, murmelt er.
    »Ich verschwinde nicht. Ich bin genau hier.«
    »Wo gehst du hin, wenn du nicht laufen bist?«
    Ich lache, doch es klingt gezwungen und hohl. »Du weißt, wo ich hingehe.«
    Er öffnet den Mund. Sein Griff um meinen Brustkorb wird fester; er drückt so fest zu, dass es aussieht, als würde es wehtun. »Ich will

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