Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manche Maedchen raechen sich

Manche Maedchen raechen sich

Titel: Manche Maedchen raechen sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Marr
Vom Netzwerk:
Und wie! , antwortete ich in Gedanken für ihn.
    Professor Adler betrat den Raum. Er trug einen Laborkittel und einen schwarzen Filzhut. Seit wir seinen Kurs besuchten, hatte er noch nie ein Experiment durchgeführt, bei dem ein Kittel vonnöten gewesen wäre. Und ins Klassenzimmer im Untergeschoss drang kein einziger Sonnenstrahl, vor dem man sich mit einem Hut hätte schützen müssen. Hier unter der Erde war es auch im tiefsten Winter total warm. Für eine Stunde waren wir nun buchstäblich vom Erdboden verschluckt.
    Der Professor hielt in jeder Hand einen Metallkäfig. Darin befanden sich je eine weiße Ratte, ein Haufen Drähte und anderes Zeug. Ich hatte ein mulmiges Gefühl. Also verbarg ich das Gesicht hinter den Händen und starrte auf die Tischplatte.
    „Miss Boans!“, rief Professor Adler mit seiner heiseren Stimme. „Wollen Sie mir assistieren?“
    Ich schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen.
    Scheppernd stellte Professor Adler die Käfige auf dem Versuchstisch ab.
    „Hat irgendjemand eine Idee, worum es in der heutigen Unterrichtsstunde gehen könnte?“
    Mariannes Arm schoss sofort in die Höhe.
    „Miss Jones?“
    „Ich glaube, es geht um erlernte Hilflosigkeit.“
    „Richtig, Miss Jones. Haben Sie etwa den Lehrplan gelesen?“
    „Nein, Sir“, antwortete Marianne säuerlich, „aber die Versuchsanordnung ähnelt der Darstellung auf Seit e 653 in unserem Lehrbuch.“
    „Meine liebe Miss Jones“, sagte der Professor daraufhin, „das haben Sie hervorragend kombiniert.“
    Marianne wirkte überrascht, dann strahlte sie Neil an.
    „Wir befassen uns heute also mit erlernter Hilflosigkeit. Lehrbuch, Seit e 653, wie unsere Musterschülerin bereits gesagt hat. Und da die heutige Jugend über eine sehr geringe Aufmerksamkeitsspanne verfügt “ – Professor Adler warf Marianne einen wissenden Blick z u – „spare ich mir die Worte und werde Ihnen das Phänomen stattdessen am lebenden Objekt demonstrieren. Sehen Sie das Gerät in meiner Hand? Passen Sie genau auf. Jedes Mal, wenn ich auf den roten Knopf drücke, löse ich bei Ratte B einen Elektroschock aus.“
    Stühle wurden gerückt und schabten geräuschvoll über den blank polierten Fußboden. Ich hätte wetten können, dass alle ein Stück näher heranrückten, um ja keine Sekunde des Spektakels zu verpassen. Ich hielt mir immer noch die Hände vors Gesicht.
    „Ich kann gar nicht hinsehen“, flüsterte ich Neil zu. „Wenn ich gewusst hätte, was mich hier erwartet, hätte ich nie Psychologie gewählt.“
    „Was hast du denn gedacht? Dass wir alle auf Ledersofas rumliegen und über unsere Gefühle reden?“
    „Äh m … so ungefähr“, antwortete ich. „Wie kannst du da nur zugucken? Erinnert dich das nicht an Tacky?“
    Mit sechs Jahren wurde Neil stolzer Besitzer einer Ratte. Sie hatte braunes Fell mit einem weißen Fleck. Er taufte sie auf den Namen „Ratattack“. Neil und Tacky waren einfach unzertrennlich. Sie teilten sich sogar ein Kissen. Immer wenn ich bei Neil übernachten musste, weil irgendein Eheberater meinen Eltern gerade mal wieder traute Zweisamkeit verordnet hatte, legten wir unsere Schlafsäcke nebeneinander und Tacky schlief in der Mitte.
    Eines Tage s – wir saßen gerade auf der Verand a – sprang Tacky Neil aus der Hand und wurde nie wieder gesehen. Ich fand ja, dass Mariannes Kater, M r Darcy, an diesem Tag noch fetter aussah als sonst.
    „Das ist lange her“, sagte Neil. „Wir sind doch jetzt groß und härter im Nehmen. Und man muss ja auch nur ganz kurz hinschauen. Nur lange genug, um nächste Woche nicht durch die Prüfung zu rasseln.“
    Das war ein Argument. Ich spreizte meine Finger gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Professor Adler auf den roten Knopf drückte. Die Ratte im Käfig schoss kurz in die Höhe und fiel dann plump zu Boden. Sie versuchte nicht einmal, sich in irgendeiner Ecke zu verkriechen. Sie blieb einfach nur liegen und zitterte. Ich konnte spüren, wie etwas in mir zerbrach und mit einem dumpfen Schlag auf den Boden fiel.
    „Ratt e B“, sagte Professor Adler und tippte mit seinem Zeigestab auf den Käfig, „hat auf den ersten Elektroschock noch mit großer Aufregung reagiert. Nun, viele Stromschläge später, hat sie erkannt, dass es keine Fluchtmöglichkeit gibt. Sie hat aufgegeben.“
    Um seine Ausführungen zu veranschaulichen, drückte Professor Adler noch einmal auf den roten Knopf.
    Mir war schlecht. Die Ratte starrte mich aus ihren rosafarbenen Knopfaugen an und ich

Weitere Kostenlose Bücher