Manche moegen's Kowalski
Vergnügen, aber Joshs Gemütsverfassung und sein Fatalismus mussten tiefere Ursachen haben. Viel wichtiger, als Josh zur Hand zu gehen, solange das Bein ihn behinderte, und einen Geschäftsplan zu entwickeln, war es, herauszufinden, was seinen kleinen Bruder so verbittert hatte.
Neben dem Eisenwarengeschäft lag ein Park. Es war eine verträumte kleine Anlage, nicht so wie der große Park mit dem Spielplatz und dem Orchesterpavillon. Als Mitch ihn erreichte, sah er dort Paige Sullivan sitzen, und in derselben Sekunde war Josh vergessen.
Sie saß seitlich auf einer Bank, hatte die Füße angezogen und einen Arm auf die Rückenlehne gelegt. In der anderen Hand hielt sie ein Taschenbuch, in das sie so vertieft war, dass sie Mitch erst bemerkte, als er sich neben ihr niederließ. „Darf ich mich dazusetzen?“, fragte er.
Vor Schreck ließ sie fast das Buch fallen, und augenblicklich tat es ihm leid, sich so herangeschlichen zu haben. Aber sie lächelte, legte ihre Büchereikarte als Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte das Buch zu. Dann steckte sie es zurück in den Leinenbeutel mit dem aufgedruckten Logo der Bücherei, der schon aus den Nähten zu gehen schien.
„Ich wollte mich eigentlich nur für eine Minute hierhinsetzen. Aber es ist ein so schöner Tag, dass ich angefangen habe zu lesen.“ Sie blickte auf die Uhr. „Und im Handumdrehen ist eine Stunde um.“
„Das ist nicht das Schlechteste, womit man seine Zeit verbringen kann. Haben Sie denn den anderen noch Bücher übrig gelassen?“
Sie lachte. „Ich habe keinen Kabelanschluss. Und so lese ich viel, während andere Leute fernsehen.“
„Ich lese leider nicht so viel, wie ich gerne würde. Es gibt ein paar Thrillerautoren, die ich gut finde. Deren Bücher lade ich mir dann auf mein Smartphone und lese rasch mal ein paar Seiten, wenn ich kann.“
„Mit meinem Handy kann ich telefonieren, und damit hat sich’s. Internet brauche ich für den Diner, aber da ich die meiste Zeit sowieso dort verbringe, muss ich es auch nicht immer dabeihaben.“
Mitch lehnte sich zurück und drehte das Gesicht zur Sonne. Er kam nicht besonders häufig dazu, einfach dazusitzen und nichts zu tun. Aber es tat erstaunlich gut. „Erzählen Sie doch mal, wie Sie ausgerechnet in Whitford gelandet sind. Die Stadt ist ja nun nicht gerade eine Touristenattraktion.“
„Das habe ich schon gesagt. Als ich hier durchkam, machte mein Auto schlapp. Und dann bin ich geblieben.“
„Steckt nicht noch mehr dahinter?“
Paige zuckte die Achseln. „Eigentlich nicht.“
„Hatten Sie kein Zuhause oder einen Job oder irgendetwas anderes, zu dem Sie zurückkehren wollten?“
„Einen Job hatte ich zwar, aber der war furchtbar. Und zu meiner Wohnung zog es mich auch nicht zurück.“
Er wandte ihr das Gesicht zu und sah sie an. Ihre zögerlichen Auskünfte schreckten ihn nicht ab, sondern machten ihn nur noch neugieriger. „Die meisten Leute sprechen doch gern von sich, oder?“
„Nur zu. Legen Sie los.“
Er schüttelte den Kopf. „So nicht. Ich wollte etwas von Ihnen hören. Meine Geschichte kenne ich schon.“
„Wer kennt die nicht“, meinte sie spitz, womit sie ihm aber nur ein müdes Lächeln entlockte. „Aber meinetwegen. Ich habe vorher in Vermont gelebt. Dann bekam ich die Nachricht, dass mir jemand ein bisschen Geld hinterlassen hat. Der Scheck war auf mich ausgestellt, aber die Frau des Verstorbenen wollte mich unbedingt kennenlernen. Und so bin ich nach Portland gefahren.“
Die Frau … wessen? „In welcher Beziehung standen Sie zu dem Mann?“
„Nicht was Sie denken. Er ist eine Zeitlang mein Stiefvater gewesen, als ich noch klein war. Ich kann mich kaum an ihn erinnern, aber seine Frau sagte, er habe oft von mir gesprochen. Ich schätze, er hat versucht, mit mir in Verbindung zu bleiben, und meine Mutter hat Schwierigkeiten gemacht und das unterbunden. Schließlich hat er es wohl aufgegeben, als er seine eigene Familie hatte. Trotzdem, erzählte mir seine Frau, sei er die ganzen Jahre hindurch darum besorgt gewesen, was aus mir wohl geworden ist.“
Mitch bemerkte, dass Paige während des letzten Teils ihres Berichts immer trauriger geworden war, als ob es ihr leidtäte, dass der Mann, dem so viel an ihr gelegen hatte, dass er sich um sie sorgte, nicht Teil ihres Lebens gewesen war. „Und da hat er Ihnen Geld vermacht?“
„Ja. Er hatte später eigene Kinder, war aber irgendwie in der Softwarebranche beschäftigt und ziemlich wohlhabend.
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