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Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Federlein
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stationären Klinik kam, war das für mich die Rettung.
    Ich musste raus von zuhause, raus aus diesem Sumpf aus Schuld und Vorwürfen und Elend, weg von den Leuten, die ich da so alles kennengelernt hatte, Ortswechsel, Neuanfang!
    Das klang gut!
     
     
    25.02.1997
     
    Wir waren heute alles zusammen (mein Bruder, Mama und Papa) in dieser Psychosomatischen Klinik. Dort ist Donnerstagvormittag so eine offene Runde, wo alle Patienten, alle Therapeuten und das ganze Servicepersonal anwesend sind und sich vorstellen. Also ein Tag der offenen Tür für neue Patienten. Mittlerweile ist mir eh alles egal und alles ist besser als so weitermachen wie bisher. Aber es hat mir auch gefallen, wenn man das bei einer Klinik so sagen kann?
    Ich hab da eine Frau gesehen, ach du meine Güte, sie war so dünn, wirklich nur noch ein Skelett! Sie musste sich ein Kissen unter den Po legen, weil sie sonst auf ihren Knochen nicht hätte sitzen können. So etwas hab ich noch nie gesehen und es hat mich wahnsinnig erschreckt. Das ist dann wohl das Endstadium?
    Aber es hat mich auch verunsichert - ich meine, bei ihr ist es ja wirklich ganz klar, dass sie Hilfe braucht, sie hat echt ein Recht, dort zu sein, aber ich? So dünn bin ich doch nicht, darf ich dann überhaupt so einen Klinikplatz annehmen?
    Wir haben dann noch mit dem Chef der Klinik gesprochen, er hat uns Unterlagen gegebe, und meinte, wir sollten das bei der Krankenkasse eben beantragen, er sehe da keine Schwierigkeiten, dass ich relativ schnell dorthin könnte!
    Also gut, Augen zu und durch!
     
     
    Meine Eltern haben sich dann um alles gekümmert, ich glaube wir waren einfach alle total erleichtert, dass es da einen Ort gab, der mir helfen konnte. Sie waren hoffnungslos überfordert mit der Situation: Wie kann man auch zuschauen, wie sich die eigene Tochter aus dem Leben hungert? Aber jetzt gab`s da die Klinik, die würden das schon richten. Ich hab auch erst einige Zeit später kapiert, dass das eben niemand richten kann, außer mir. Leider ist Magersucht, wie alle anderen psychischen Erkrankungen, nicht einfach so zum raus operieren...
    Jedenfalls hat alles geklappt und ich konnte Anfang März 1997, mit meinen 19 Jahren, dort in der Klinik aufgenommen werden.
    Der letzte Gedanke, dass ich doch gar nicht krank genug wäre, um dort bleiben zu dürfen, hatte mich die letzten Tage zu Höchstleistungen getrieben, so dass ich körperlich und seelisch wirklich völlig am Ende dort eingewiesen wurde, mit 38 Kilo bei einer Größe von 165 cm.
    Ich bin zugegebener maßen auch heute noch stolz darauf, so blöd das klingt - es ist wie später mit dem Abitur: Ich hab`s nie gebraucht, aber ich hab`s eben, das kann mir keiner mehr nehmen. Und wenn ich heute doch so einige Fettpölsterchen mehr habe, hab ich für mich immer die Gewissheit – das hast du damals geschafft! Wie eine Trophäe, die man irgendwann einmal bekommen hat...
    Ich weiß nur, dass ich mich selbst an diesem Tag noch viel zu dick gefühlt habe, weil die Wahrnehmung für meinen Körper echt im Eimer war. Mein Papa hat ein Foto von mir nackt gemacht, weil wir die Idee hatten, dass es irgendwann einmal als Abschreckung dienen könnte - leider ist dieses Foto nichts geworden... manchmal denk ich mir, es sollte so sein. Ich weiß nicht, ob ich den Anblick von diesem Häufchen Elend, das ich nur noch war, ertragen würde, jetzt, wo ich mich wieder halbwegs lieb habe.

Teil 2
    Klinikaufenthalt

06.03.1997
     
    So, jetzt bin ich also den ersten Tag hier. Gestern haben Mama und Papa mich hergefahren. Nach einigen Vorgesprächen haben sie mich dann noch auf mein Zimmer gebracht. Es ist ein schönes Zimmer, mit Bett, Tisch, Schrank und mit Badezimmer. So wie ich das verstanden habe wird das sauber gemacht, ich muss mich einzig und allein um die Wäsche kümmern - aber auch das wird wohl die nächsten Wochen für mich erledigt werden, weil ich nämlich in „Klausur“ sitze. Das heißt, bis ich 46 Kilo wiege, muss ich hier in diesem Zimmer bleiben, weil mein Gewicht so niedrig ist, dass ich laut deren Meinung körperlich nicht in der Lage bin, an der Therapie teilzunehmen!
    Ich war dann noch beim Blutabnehmen und beim EKG, weil die hier wissen wollten, wie angeschlagen ich bin, aber anscheinend ist soweit alles ok. Hätt ich denen auch sagen können! Ich bin ja bis gestern auch ohne Probleme draußen rumgelaufen und jetzt so ein Theater! Naja gut, wenn man bedenkt, dass 10 % der Magersüchtigen an ihrer Krankheit sterben, ist es wohl

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