Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte
habe. Zwar sehr viel weniger, aber noch unter der Betäubungsspritze. Ich hatte keine Macht darüber und konnte immer nur Schadensbegrenzung betreiben.
Ich weiß noch, wie ich nach dem 11.09.2001, dem Tag als das WWC in sich zusammenfiel, als irgendwie eine Krisenstimmung in der Luft lag und keiner sagen konnte, ob es nicht vielleicht doch Krieg geben würde, eigentlich nur vor einem Angst hatte: nämlich dass Krieg ja bedeutet, dass es nicht genug Essen gibt und was ich dann tun sollte, wenn ich nichts mehr für meine Fressanfälle bekommen würde! Solche Gedanken gingen mir im Kopf rum...
25.06.2001
Ich komm viel zu selten zum Schreiben! Aber ich fass es zusammen. Ich war mit Michael was trinken, dem Medienberater bei meiner Arbeit. Wir sind ziemlich heftig aneinandergeraten, aber jetzt haben wir alles geklärt und er ist wirklich sehr nett. Vor allem hört er mir zu! Wie lange ist es her, dass mir ein Mann mal zugehört hat und wirklich Interesse an mir als Wesen gezeigt hat?
Er ist acht Jahre älter als ich, schaut gar nicht so schlecht aus, hat allerdings gerade seine Ehe vergeigt und lebt seit ein paar Monaten in Scheidung. Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut?
Er hat eine Tochter, die ist vier, das ist schon eigenartig. Aber egal, es tut gut, mal wieder ordentliche Gespräche zu führen.
Vor zwei Wochen war ich in der Küche im Sender und hab mir meinen Tee gemacht. Ich hab wohl ein bisschen fertig ausgesehen, ich weiß es nicht, aber kotzen ist anstrengend und ab und zu gehen die Augenringe eben nicht so schnell weg. Na jedenfalls kam Michael in die Küche und meinte so im Vorbeigehen: „Na, manchmal ist das Leben echt zum Kotzen, gell?“ und hat mich so saudoof angegrinst.
Ich wusste erst mal gar nicht, was ich sagen sollte, weil ich mich so erwischt gefühlt habe. Aber später hab ich gemerkt, dass mich das total verletzt hat. Und ich war sauer. Bisher hab ich mir immer alles gefallen lassen und hab mich nie getraut, mal zu mir zu stehen, weil mir meine Sucht so peinlich ist. Aber warum auch immer, diesmal hatte ich genug, vielleicht war es auch nur der eine Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Also hab ich ihn später unten besucht und ihm gesagt, dass ich mal mit ihm reden will. Wir sind dann raus in den Hof und haben uns hingesetzt. Und wir haben geredet. Ich hab ihm alles erzählt und er hat mir von sich erzählt. Das erste richtig gute Gespräch seit langem.
Seitdem waren wir einmal was trinken und bei der Arbeit stehen wir öfter beim Rauchen zusammen. Ich will nichts von ihm, aber er ist ein super Freund, das kann ich im Moment mehr gebrauchen als das Andere.
07.07.2001
Wieder nichts von Thomas gehört, so langsam gewöhn ich mich daran. Ich genieße es, wenn wir ab und zu mal zusammen sind, ansonsten vergnüg ich mich anderweitig, einfach nur, um mich abzulenken. Aber was anderes bleibt mir ja auch nicht übrig, so fertig wie ich bin, will mich ja so wieso keiner. Wie sollte ich überhaupt eine Beziehung führen? Ich kann mich keinem zumuten und ich muss zum Fressen und Kotzen allein sein. Wie sollte ich das also anstellen? „Schatz, ich bin mal eben für zwei Stunden weg...“?
Ich kann nie mit jemandem zusammen in einer Wohnung leben, also brauch ich mir auch nicht einzureden, dass ich eine gute Beziehung haben könnte. Was mir bleibt ist meine Sucht, also mein Essen, meine Arbeit und Gelegenheitssex. Von daher ist das mit Thomas und all den Anderen eigentlich genau richtig. Und wenn ich, wie heute, einen Durchhänger habe, leck ich meine Wunden allein auf meinem Sofa. Es wäre unfair, jemanden wie Michael dafür auszunutzen. Auch wenn er mir angeboten hat, jederzeit für mich da zu sein, ich bin selber für die Schei... , die ich tue, verantwortlich. Ich weiß was ich tue, ich bin ja kein Kind mehr. Und wenn es mir dann schlecht geht, brauch ich mich aber auch nicht zu beschweren. Ich hab es nicht verdient, dass sich noch jemand um mich kümmert. Ich hatte meine Chancen, in der Klinik und mit netten Menschen die mir helfen wollten, aber da wollte ich nicht. Jetzt muss ich eben schauen, wie ich allein klar komme.
Ich bin 23 Jahre alt und schon jetzt hab ich vollkommen mit Liebe und Nähe abgeschlossen. Wenn mir niemand zu nahe kommt, dann kann mir auch nichts passieren. Dann bleib ich eben allein, dann redet mir wenigstens auch niemand dazwischen!
Am Wochenende war ich in der Disko und Thomas war auch da. Ich bin davon ausgegangen dass er
Weitere Kostenlose Bücher