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Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Federlein
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der sich wunderte, was ich nach der Arbeit so trieb. Ich hatte nur immer beim Einkaufen das blöde Gefühl, dass es für die Kassiererinnen doch auffällig war, dass ich wirklich jeden Tag kam und diese Mengen, noch dazu immer das Gleiche, kaufte. Aber ich tröstete mich damit, dass bei der Menge der Kunden wirklich niemand auf mich achten würde. Und ich versuchte, mich immer an anderen Kassen anzustellen.
    Auf dem Heimweg futterte ich dann die erste frische Laugenstange, weil ich es nicht mehr länger aushielt und während ich zu Hause den Plätzchenteig und die Fischstäbchen, sowie die Kartoffeltaschen vorbereitete, aß ich noch zwei weitere. Ich machte es nach wie vor so, dass ich erst als Grundlage sozusagen Dinge aß, die zur Not auch drinbleiben konnten. Für mich ist eine Laugenstange gerade noch „gutes Lebensmittel“ und ich redete mir gut zu, dass es nicht wirklich etwas ausmachen würde, wenn eine oder zwei davon im schlimmsten Fall drinblieben. Außerdem wusste ich dann beim Kotzen auch ganz genau, wann ich unten angekommen war. Was auch gut ist, sind Tomaten oder rote Äpfel zu essen (wobei Äpfel durch die Säure dann auch ganz schnell echt widerlich werden zum Kotzen), weil man dann genau sieht, dass man fertig mit Kotzen ist, weil jetzt das Unterste raus ist.
    Danach hab ich mich in Ruhe auf mein Sofa gesetzt, den Fernseher angemacht und dabei noch gerätselt. Die zehn Brötchen nacheinander mit Frischkäse bestrichen und genüsslich und in aller Ruhe gegessen.
    Ich liebe Essen und genieße es jedes Mal. Das war der schöne Teil an meiner Sucht. Sich vollzustopfen mit all dem leckeren Essen, das ich mir sonst nie im Leben gönnen würde. Nur Pizza ist leider schwer zum Rauskriegen. Das hab ich in all den Jahren, in denen ich sogar kotzen konnte, ohne mir den Finger reinzuwürgen, nicht geschafft. Sehr schade eigentlich, weil ich Pizza liebe. Aber alles andere geht gut, ich habe da immer mal wieder abgewechselt, aber zu der Zeit war es monatelang immer das Gleiche.
    Dann noch irgendwie aufstehen, zur Toilette wanken und übergehen zum anderen Besten an meiner Sucht: das Kotzen. Ich habe das in all den Jahren gleich empfunden: Als eine Befreiung. Klar, im ersten Moment mal den gespannten Bauch entlasten. Aber all der Stress, der Ärger bei der Arbeit oder auch einfach nur die viele Arbeit, egal, all das, die Einsamkeit, der Ärger auf mich und die Welt, kamen da mit raus. Und es ist nicht so wie beim normalen Kotzen, wenn die Magensäure schon alles halb verdaut hat. Nein, so kurz nach dem Essen ist das nicht so widerlich. Es ist einfach nur zerkleinertes Essen. Es kommt meistens genau in den Schichten, wie ich es gegessen habe, auch wieder raus.
    Manchmal ging es schnell, 15 Minuten oder so, aber manchmal quälte ich mich eine Stunde ab, um auch noch das letzte Bisschen aus mir rauszukriegen. Das war dann weniger schön und so manches Mal hab ich mir überlegt, was denn sein würde, wenn ich jetzt und hier an Erbrochenem ersticke oder vor Anstrengung einen Herzinfarkt erleide. Wer mich dann wohl finden würde... und wie peinlich das wäre.
    Aber wie gesagt, all diese Dinge hatte ich längst akzeptiert, das nahm ich in Kauf. Ich war einsam, abgebrüht und völlig hinter meiner selbst errichteten Mauer begraben, mir war kaum noch etwas wirklich so peinlich, dass ich mein Verhalten hätte ändern wollen. Klar haben mich blöde Blicke oder Sprüche verletzt, aber all das kam in irgendeine Ecke meines Bewusstseins und wurde beim nächsten Mal Kotzen mit ausgespült.
    Und dann kam Michael und klopfte so behutsam und langsam an meiner Mauer, bis er ein kleines Loch geschlagen hatte und irgendwann zu mir durchdrang. Einfach nur weil er da war, mich nicht bedrängte, mich nicht be- oder verurteilte. Er hatte einfach nur Interesse an mir und an all meinen Seiten, meinen Facetten. Und er war da, wenn ich einsam war. Und ich ließ es zu...
     
     
    25.07.2001
     
    Ich war heute bei Michael zu Hause - typische Single-Wohnung, wir haben geredet, sind ein bisschen spazieren gegangen und haben dann seine Tochter abgeholt. Seine Exfrau hat aus einer früheren Beziehung auch noch einen Sohn, der kam auch mit. Also hat Michael sozusagen zwei Kinder. Das ist für mich neu, einen Mann, der schon verheiratet war, mit zwei Kindern... aber da er ja nichts von mir will und ich nicht von ihm, ist das völlig ok. Irgendwie auch schön, so einen auf Familie zu machen. Zu viert auf einem Spielplatz zu sitzen, den Kindern

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