Mandys Verlangen
einflussreich waren wie sie selbst, mit unvergleichlichem Hochmut zu behandeln.
Die Jonas-Kinder standen natürlich weit unter ihnen in der Hierarchie. Mandy erinnerte sich noch gut an die stille Resignation, die ihr Vater im Laufe der Jahre entwickelt hatte, die sich dann zu einer massiven Depression auswuchs. Eine Resignation und Depression, die dem Wissen entsprang, dass er gegen den übermächtigen Bürgermeister Albert Clayton nichts ausrichten konnte.
Clayton hatte überall seine Finger und sein Geld im Spiel. Er kontrollierte die Stadt genau so, wie er es mit Clifford Jonas und dessen Kollegen tat. Nach und nach hatte Clifford Jonas daher seinen Traum von Recht und Gerechtigkeit begraben. Er hatte aufgehört, sich gegen den machtgierigen Mann zu stemmen, und Claytons »Sonderzulagen« genauso bereitwillig in seine Uniformtaschen gesteckt wie viele andere, die Clifford deswegen zuvor verachtet hatte.
Seine Enttäuschung, seine Scham und Selbstverachtung hatte Clifford zum Schluss in Unmengen von billigem Fusel zu ertränken versucht, was ihn schließlich das Leben gekostet hatte.
Nein, Mandy war nicht gut auf die Claytons zu sprechen. Und sie hatte damals keine Gelegenheit ausgelassen, die verhassten Clayton-Gören zu ärgern.
Hinter ihren geschlossenen Lidern formte sich ein Bild:
Es war der vierte Juli. Ein brennendheißer, schwüler Tag. In der Luft die Vorboten eines drohenden Gewitters. Alle Straßen der Kleinstadt festlich geschmückt.
Die Bürger Jacquodys hatten sich im Roosevelt-Park zum obligatorischen Picknick getroffen, zu dem selbstverständlich auch der Bürgermeister und spätere Senator Albert Clayton mitsamt seiner Familie erschien.
Albert Clayton hielt eine Rede, die alle zum Gähnen brachte, Noleen Clayton spielte die lächelnde First Lady, und Betty Jonas fieberte dem Wettbewerb um die gelungenste Torte entgegen, obwohl sie genau wusste, dass sie auch dieses Mal keinen Preis gewinnen würde. Die ersten Plätze waren traditionell für Noleen und ihre Damen aus dem Country- und Wohltätigkeitsclub reserviert.
Nicholas sah verdammt gut aus in seinem hellen Sommeranzug, der seine Sommerbräune eindrucksvoll zur Geltung brachte. Mandy musste immer wieder zu ihm hinübersehen, obwohl sie sich heftig bemühte, sich einzureden, dass sie ihn nicht leiden konnte. Schließlich war er genauso hochnäsig und von sich eingenommen wie alle Claytons.
In wenigen Jahren würde er die Fabrik seines Vaters übernehmen, ein reiches Mädchen aus seinen Kreisen heiraten, anschließend eine politische Karriere beginnen, die der seines Vaters ähnelte, und neue Clayton-Babys zeugen, damit die Tradition von Macht und Reichtum fortgesetzt wurde.
Der Gedanke, dass sich ihre Kinder vielleicht eines Tages genauso von Nicks Brut demütigen lassen mussten wie sie und ihre Geschwister, hatte in Mandy heiße Wut aufsteigen lassen. Und dass sie selbst, Mandy, oder ihr zukünftiger Ehemann ebenso ins »weiße Haus« zitiert werden würden wie Clifford Jonas, um sich von Albert Clayton wegen irgendeiner Kleinigkeit herunterputzen zu lassen, diese Vorstellung hatte Mandy damals beinahe laut schreien lassen.
An diesem Tag wurde in Mandy der Wunsch geboren, die Stadt zu verlassen. Nein, es war kein Wunsch gewesen! Sie hatte mit Bestimmtheit gewusst, dass sie nicht in Jacquody bleiben konnte. Es war wie ein Blick durch einen Türspalt in die Zukunft gewesen, die nichts mit den Claytons und dieser ganzen verdammten Stadt zu tun hatte.
Aber sie hatte diese Vision vergessen, als Clayton auf einmal vor ihr stand. Zuerst hatte Mandy ihn mit einer rüden Beschimpfung zum Teufel schicken wollen. Aber dann hatte sie den Blick ihres Vaters aufgefangen.
Sei um Gottes willen nett zu ihm , hatte dieser Blick gefleht. Mach es mir nicht noch schwerer, als ich es ohnehin schon habe!
Mandy hatte nachgegeben und war mit Nicholas auf die Wiese gegangen, wo sich die Jugend des Ortes zum Tanz getroffen hatte.
Es stimmte nicht, dass sie Nick nicht leiden konnte. Im Gegenteil, Mandy war bis über beide Ohren in Nick verliebt gewesen, hatte ihre Gefühle jedoch stets für sich behalten. Niemals, so hatte sie sich geschworen, sollte irgendjemand von dieser brennenden Liebe erfahren. Doch in dem Moment, als Nicholas den Arm um ihre Schultern legte, sie seinen Körper an ihrem spürte, sein Atem über ihr Haar strich, war es um sie geschehen gewesen.
Mit klopfendem Herzen, wie betrunken vor Glückseligkeit, war sie Nick ans Ufer des Flusses
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