Mandys Verlangen
ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als er im Kreis seiner College-Freunde zum Footballspiel nach Orleans hatte fahren wollen. Nie würde sie die Demütigung vergessen, die er ihr mit seinem höhnischen Grinsen und den wenigen, vor Bosheit triefenden Worten zugefügt hatte.
Die anderen Jungs hatten gelacht, sich köstlich auf ihre Kosten amüsiert. Sie fanden es urkomisch, dass Nick diese Landpomeranze an der Nase herumgeführt hatte. Sie war für die jungen Männer das Dummchen gewesen, das auf Nicks Süßholzgeraspel hereingefallen war und für ihn die Beine breit gemacht hatte.
Von da an galt sie für die Jugendlichen als billige Fünf-Dollar-Schlampe, von der man ja immer schon gewusst hatte, dass sie nicht so unnahbar war, wie sie sich immer gegeben hatte.
Kurz darauf hatte Nicholas ihr den Gefallen getan, Jacquody zu verlassen, um an irgendeiner bekannten Universität zu studieren. Doch Mandy war ihren schlechten Ruf trotzdem nicht mehr losgeworden.
Damit allein hätte sie sich ja noch abfinden können. Was scherte es sie, was andere über sie dachten oder sagten! Aber die Enge der Stadt, das kleinbürgerliche Getue, die Trunksucht ihres Vaters und nicht zuletzt ihre eigene Ungeduld trieben Mandy schließlich in die Ferne.
Mit Hilfe eines Stipendiums und diverser Jobs hatte sie sich das Studium an der Lloyd Harlow University leisten können. Dort hatte sie auch die chaotische Rudy kennengelernt, die ihr mit ihrer lockeren Art über die bittere Enttäuschung und die brennende Scham hinweggeholfen hatte. Und nicht nur das: Rudy war damals die geborene Organisatorin gewesen. Ein kleines, schlaues Frettchen, das immer gewusst hatte, wie man zu Jobs, Essen und Geld kommen konnte (ohne dabei kriminell zu werden), und die Mandy ihre uneingeschränkte und vorbehaltlose Freundschaft geschenkt hatte.
Sie hatten harte Zeiten zusammen durchgestanden, aber sie hatten auch unheimlich viel Spaß miteinander gehabt. Und was auch immer geschehen war, es hatte sie fester zusammengeschweißt als manches Geschwisterpaar, und genau das war auch der Grund, weshalb Mandolyn immer noch mit der chaotischen Rudy zusammenwohnte und sie trotz all ihrer Macken nicht vor die Tür setzte.
Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums waren sie beide für ein Jahr nach New York gegangen. Rudy wollte dort eine Schauspielschule besuchen, Mandy für eine große Versicherung arbeiten. Aber Mandy hatte bald gemerkt, dass die Stadt nichts für sie war.
Sie musste raus aus der Enge und Hektik des Molochs, brauchte Luft, Licht, den Wechsel der Jahreszeiten, brauchte einfach Natur um sich herum. Sie hatte kurzerhand gekündigt und war, immer auf der Suche nach einer neuen Heimat, quer durch die Staaten gereist.
Als sie in Colorado ankam, sie wusste es noch wie heute, hatte der Herbst gerade die Espen in Gold getaucht. Das Land hatte sich ihr in einer Pracht gezeigt, die Mandy regelrecht schwindelig gemacht hatte.
Kein Wunder, dass sie spontan beschlossen hatte, an diesem Ort zu bleiben. Eine Entscheidung, die Mandy seitdem nicht ein einziges Mal bereut hatte. Nur wenige Wochen später hatte plötzlich eine völlig verheulte, liebesleidende und beruflich enttäuschte Rudy vor ihr gestanden. Mandy vermutete, dass das Jahr in New York und die Erkenntnis, dass sich ihre Träume von einer großen Schauspielkarriere niemals erfüllen würden, der sonst so positiven Rudy einen heftigen Knacks verpasst hatten. Auf jeden Fall war sie von da an nicht mehr dieselbe gewesen. Rudy hatte einen Teil ihres Selbstwertgefühls verloren und leider bis heute nicht wiedergefunden.
Mandolyn drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Und wenn es nun doch Nicholas Clayton gewesen war, den sie im Restaurant gesehen hatte?
Wenn ich ihm vielleicht sogar noch einmal über den Weg laufe, was mache ich dann? Wie verhalte ich mich ihm gegenüber? Dann kann er mich mit seinem herrschaftlichen Getue kreuzweise , beantwortete Mandy sich die Frage selbst. Noch einmal, Nick, das schwöre ich dir, lasse ich mich von dir nicht an der Nase herumführen!
Mit diesem Entschluss glitt sie endgültig ins Land der Träume hinüber.
Die Oberfläche des Sees funkelte und glitzerte im hellen Sonnenlicht. Ein paar Stockenten stritten sich am Ufer um die Brotkrumen, die ihnen die vier Alten von der Parkbank aus zuwarfen. Hochmütig zogen die Schwäne währenddessen ihre Kreise und schauten nur hin und wieder verächtlich zu den Enten, als wollten sie zeigen, wie unwürdig sie deren
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