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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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zu
bumsen, wenn sie einen erwischen, richtig?« fragte Zaif.
    »Theoretisch dürfte es stimmen, nehme ich an.«
    »Wann haben Sie die Marlund zum letzten Mal gesehen?«
    Walter erkannte die Technik. Die klassische Vernehmung ist wie ein auf
den Kopf gestelltes Dreieck aufgebaut. Sie fängt mit allgemeinen Fragen an und
verengt sich dann immer mehr auf Besonderheiten. Sie näherten sich jetzt dem
schmalen Teil und arbeiteten sich zur Spitze vor.
    Walter erwiderte: »Heute früh. Ich bin gegangen, um zur Arbeit zu
gehen.«
    »Um welche Zeit?«
    »Weiß ich nicht mehr genau.«
    »Natürlich nicht«, bellte Zaif. »Wie wär's mit einer ungefähren
Zeit?«
    Weil du den Zeitpunkt ihres Todes zu haben glaubst, dachte Walter.
    »Um acht?« sagte Walter.
    »Ist das eine Frage oder eine Aussage?«
    »Ich versuche zu schätzen«, sagte Walter. Zaif beschleunigte jetzt
das Tempo, fragte nach Fakten und rückte näher an die Umstände von Martas Tod
heran.
    »Wohin sind Sie gegangen?«
    »Zur Arbeit.«
    »Im Büro?«
    »Auf dem Feld.«
    »Was meinen Sie mit >Feldgemacht, Baumwolle gepflückt?“
    »In gewisser Weise.«
    »Aber vorhin haben Sie mir erzählt, Sie hätten den ganzen Tag
getrunken.“
    »Das ist richtig.«
    »Doch jetzt sagen Sie, Sie hätten gearbeitet.«
    »Die beiden Dinge schließen sich nicht unbedingt aus«, sagte Walter.
»Fragen Sie Ihre grobschlächtigen irischen Kollegen — die weniger kultiviert
sind als Sie.«
    Zaif gluckste leise und fragte: » Können Sie mir Namen und Orte
nennen?«
    »Ich kann Ihnen ein paar Lokale nennen.«
    Er erzählte Zaif vom White Horse und nannte dann einige weitere Bars,
in denen er gelegentlich verkehrte, in denen er am fraglichen Tag jedoch nicht
gewesen war. Die Barkeeper würden höchstwahrscheinlich sagen, daß er an jenem
Tag dort gewesen sei, wenn sie gefragt wurden. Das Gedächtnis ist höchst
unvollkommen und fließend.
    Zaif schob sich die Brille wieder auf die Nase und sagte: »Was hatte
die Marlund getrunken?«
    »Wieso?«
    »Wodka?«
    »Ja, es hätte Wodka sein können.«
    Erzähl ihnen, was sie schon wissen, heißt es im Lehrbuch. So entlockt
man ihnen noch mehr Fragen, die auf dem beruhen, was sie wissen. Jede Frage,
die sie stellen, ist eine Antwort für dich. Und es muß eine Überdosis gewesen
sein, dachte Walter.
    »Haben Sie mit ihr getrunken?«
    »Nein.«
    »Da sind Sie sicher?“
    »Ja.«
    »Hat sie sich betrunken?“
    »Sie hatte einen im Tee, ja.«
    »Haben Sie ihr irgendwann gesagt, daß sie genug hat? Haben Sie ihr das
Glas aus der Hand genommen?«
    Vater, nimm diesen Kelch von mir?
    »Nein, ich bedaure sagen zu müssen, daß ich es nicht getan habe.«
    »Ist das Ihr Stil, Withers? Dem Mädchen ein schniekes Hotelzimmer zu
besorgen, sie dann abzufüllen und ihr dann an die Wäsche zu gehen?«
    »Ich nehme an, das ist eine rhetorische Frage«, sagte Walter.
    »Tabletten?« fragte Zaif.
    »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.«
    »Haben Sie ihr Tabletten gegeben?«
    »Nein.«
    »Ihr Zimmer sah aus wie eine Apotheke.«
    Und jetzt, dachte Walter, haben wir die Phase erreicht, in der der
Vernehmer aufhört, Fragen zu stellen, und statt dessen Behauptungen aufstellt.
    »Marta erzählte mir, daß es ihr schwerfiel zu schlafen«, erwiderte
Walter.
    »Und da haben Sie ihr geholfen.«
    Wodka und Schlaftabletten, dachte Walter. Aber
warum glaubt er, jemand hätte nachgeholfen? »Nein«, sagte Walter. »Nein?“
    »Nein.«
    »Aber Sie haben gesehen, wie sie Tabletten nahm«.
    »Nein, ich sagte, sie hätte es mir erzählt.«
    »Und ich frage Sie, ob Sie sie welche haben nehmen sehen«, bedrängte
ihn Zaif.
    »Und ich sage Ihnen, daß ich es nicht gesehen habe«, entgegnete
Walter.
    »Aber Sie haben Tabletten gesehen.«
    »Schon möglich.«
    »Was für welche?«
    Nembutol, dachte Walter. Doch er sagte: »Ich weiß es nicht.«
    »Wirklich nicht?«
    »Etwa dreimal im Jahr bekomme ich Kopfschmerzen und
nehme eine Aspirin«, sagte Walter. »Das ist in etwa die Summe meiner
Erfahrungen mit Tabletten.«
    »Nembutol«, sagte Zaif.
    »Ist es das, was sie umgebracht hat?«
    »Ich weiß es nicht. Ist es so?«
    »Ich weiß es auch nicht.«
    »Ach nein. Ich glaube aber, daß Sie es wissen.«
    Was in Walters Augen keine Antwort erforderte, so daß er seinen Kaffee
austrank, im übrigen jedoch den Mund hielt.
    Nach einiger Zeit fuhr Zaif fort: »Verstehen Sie, wir finden die
Marlund so auf dem Bett liegen: Ihre rechte Hand hängt

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