Manhattan Blues
vielleicht nachgeholfen hat«, sagte Zaif.
»Warum glauben Sie das?«
»Wo sind Sie den ganzen Tag gewesen?« fragte Zaif. »Übrigens, haben
Sie getrunken?«
»Da bin ich den ganzen Tag gewesen.«
»Wo?«
»Beim Trinken.«
»Nein, ich meine wo«, sagte
Zaif. »Hier und da.“
»Mal hier, mal da?“
»Mal hier, mal da.«
Zaif schlenderte zu dem Regal mit Walters Schallplattensammlung
hinüber.
»Nette Musik haben Sie hier.“
»Mögen Sie Jazz?« fragte Walter.
»Ich bin mehr für die Klassik«, sagte Zaif. »Sie wissen schon, wie
Juden so sind. Meine Eltern wünschten sich einen zweiten Heifetz.« Er hielt die
langen Finger seiner großen Hand hoch: »Ich habe zwar die Ausrüstung, aber
nicht das Gehör. Wie auch immer, ich fing gerade an, mich für das neue Zeug zu
interessieren. Brubeck, Getz, Desmond. Sie haben eine Menge von dieser Sängerin
Blanchard. Ich kenne sie nicht. Wer ist sie?«
Gute Frage, dachte Walter.
Doch er antwortete: »Unter anderem ist sie meine Freundin.«
»Oh«, sagte Zaif. »Wußte Sie von der Marlund?« Daß
sie tot ist? fragte sich Walter. »Sie sind sich schon mal begegnet«, sagte er.
Zaif lächelte. »Sie haben vielleicht Nerven, Walt.“
»Warum glauben Sie...«
»Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt, Walt?«
Unter anderem, dachte Walter, bin ich Laufbursche für Joe Keneally.
Doch er sagte: »Falls wir uns mit den Vornamen anreden wollen,
Detective, sollte das für beide gelten.“
»Sam. Nicht Sammy.«
»Walter. Nicht Walt. Und ich bin Detektiv bei Forbes und Forbes.«
Zaifs Hand griff in den Mantel.
»Sie haben einen Waffenschein, Walter?« fragte er.
»Ja.«
»Haben Sie jetzt eine Waffe bei sich?“
»Ich besitze gar keine.«
»Beantworten Sie die Frage, die ich Ihnen gestellt
habe.“
»Ich habe im Augenblick keine Waffe bei mir.« Zaifs
Hand tauchte wieder auf. »Spielen Sie Schach?« fragte er.
»Nein, ich finde Schach fast überirdisch langweilig«, sagte Walter.
»Wieso?«
»Weil ich nicht will, daß Sie mit mir Schach spielen. Ich möchte nur,
daß Sie mir auf direkte Fragen eine direkte Antwort geben.«
Weder jetzt noch früher hat es je so etwas wie eine direkte Frage
gegeben, dachte Walter.
»Ich werde mich bemühen, Ihnen in jeder erdenklichen Weise behilflich
zu sein, Sam.“
»Gut, dann gehen wir.“
»Wohin...?«
»Das Klischee läßt mich vor Scham erröten«, sagte Zaif. »Zur Wache.«
»Warum unterhalten wir uns nicht einfach in dem relativen Komfort
meiner Wohnung?« fragte Walter.
» Die Antwort steckt schon in der Frage, nicht wahr?« sagte Zaif. Dann
fügte er hinzu: »Talmud-Schüler.«
»Habe ich mir schon gedacht.«
Zaif nahm Walters Hut und Mantel vom Kleiderständer und warf sie ihm
auf den Schoß.
»Kaffee für Sie, Tee für mich«, sagte Zaif, als er
das Papptablett auf den kleinen Metalltisch des Vernehmungszimmers stellte.
Stempelfarbe von Walters Fingern verschmierte den Pappbecher, als er
ihn an sich nahm und den zwar heißen, aber sonst scheußlichen Kaffee schlürfte.
An einer Wand zischte und knackte ein Heizkörper. Der Raum war unerträglich
heiß - was wohl beabsichtigt ist, dachte Walter -, doch er weigerte sich
hartnäckig, seine Krawatte zu lösen, den Hemdkragen aufzuknöpfen oder auch nur
die Jacke auszuziehen. Es war schon demütigend genug, so spät am Abend
unrasiert und ungeduscht zu sein, und er wollte unbedingt etwas von seiner
Würde aufrechterhalten. So blieb er zugeknöpft und schwitzte. Er fand einige
Befriedigung darin, daß auch Zaif schwitzte - seine Brille rutschte ihm immer
wieder von der Nase —, um des korrekten Aussehens willen aber ebenfalls Jacke
und Krawatte anbehalten hatte. Außerdem waren seine Ärmel eine Spur zu kurz,
wie Walter bemerkte, als der Detective seine großen Hände und die breiten
Handgelenke auf den Tisch legte.
»Erzählen Sie mir von Marta Marlund«, sagte Zaif.
»Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, werde ich versuchen, sie zu
beantworten«, erwiderte Walter.
Das saß noch seit der Ausbildung. Nicht reden, sondern einem Vernehmer
Fragen entlocken. Und den Fragen die Richtung entnehmen, in die der Fragende
einen lenken möchte, um diesen dann in eine andere zu führen.
»Na schön«, sagte Zaif. »Wo haben Sie sich kennengelernt?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Wissen Sie doch«, entgegnete Zaif. Er zerriß behutsam zwei Tütchen
mit Zucker, schüttete sie in seinen Tee mit Milch und rührte um. »Niemand
vergißt, wo er eine solche Frau
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