Manhattan Blues
über die Bettkante. Auf
dem Fußboden direkt unter ihrer Hand liegt ein Glas des Hotels auf der Seite, und
ein wenig Wodka ist auf den Teppich geflossen.«
»Sie hat das Glas fallen lassen.«
»Das glauben wir auch«, sagte Zaif. »Raten Sie mal, was sie in der
linken Hand hatte.“
»Eine Schlaftablette.«
»Nembutol, um genau zu sein. Es sieht also aus, als hätte sie diese
Dinger wie Bonbons gegessen und mit Wodka heruntergespült.«
So sieht es aus, dachte Walter. Es sieht aus, als wäre sie völlig
geknickt gewesen, ohne Hoffnung, desperat und allein, und dann hat sie sich das
Leben genommen. So sieht es tatsächlich aus. Doch das denkst du nicht wirklich,
Detective Zaif, und du wirst mir auch gleich erzählen, weshalb nicht.
»Das Problem ist...«, begann Zaif, der sich dann die Mühe machte,
seine Brille wieder hochzuschieben, so daß er Walter offen in die Augen blicken
konnte. »Das Problem ist, daß auf dem Glas überall Ihre Fingerabdrücke sind.«
Ja, das ist ein Problem, dachte Walter. Ein weiteres Problem ist, daß
es so gut wie unmöglich ist, sich umzubringen, indem man Nembutol mit Alkohol
herunterspült. Wenn man zuviel auf einmal nimmt, übergibt man sich, und es
kommt wieder raus. Wenn man sie alle auf einmal nimmt, wird man ohnmächtig,
bevor man eine tödliche Dosis zu sich nehmen kann.
»Warum«, fragte Walter, »hätte ich den Wunsch haben sollen, Marta
Marlund eine tödliche Dosis Schlaftabletten einzuverleiben?«
Zaif hatte geantwortet: »Das ist ja gerade, was ich nicht verstehe.
Wenn ich ein Motiv hätte, würde ich Sie gleich festnehmen. Aber, wie es in dem
alten Klischee heißt, verlassen Sie die Stadt nicht.«
»New York ist meine Stadt«, sagte Walter.
»Wegen Irving Berlin?«
»Cole Porter.«
»Wie auch immer. Verlassen Sie die Stadt nicht.«
Oh, das werde ich nicht, Detective Sergeant Zaif, darauf können Sie
Gift nehmen. Weil ich Ihren Verdacht teile, daß jemand Marta Marlund dabei
geholfen hat, in ihren tödlichen Schlaf zu sinken. Und wenn das stimmt, hat
jemand einen Grund dazu gehabt, und dieser Grund ist für mich höchst
interessant.
Als Walter wieder zu Hause war, versuchte er Anne anzurufen, doch das
Telefon läutete, bis sich der Auftragsdienst meldete. Er hinterließ ihr die
Nachricht, sie möge zurückrufen, duschte und versuchte dann, ein paar Stunden
zu schlafen.
In jener Nacht kam sein Traum nur in bruchstückhaften Bildern. In den
lebhaftesten Szenen befand er sich jedoch nicht mehr auf der Klippe, blickte
nicht mehr hinunter, sondern stand unten auf dem Felsblock. Er wurde vom Meer
umspült. Die Leichen seiner Agenten wurden gegen den Felsen geschleudert, und
die Woge erhob sich wie eine Wasserwand.
Sie kam direkt auf ihn zu.
Scrapple á la Apple
Sonntag, 28. Dezember 1958
Football, dachte Walter Withers, als er sich fertig rasiert hatte, ist
das amerikanische Spiel schlechthin.
Baseball mag der amerikanische Zeitvertreib sein, doch Football ist
der wahre Sport der Nation. Die Amerikaner mögen ihre Zeit bei dem sanften,
lässigen Rhythmus von Baseball verbringen, träge bei einem Bier und einem Hot
Dog im Park sitzen oder im Halbschlaf dem Plärren einer Rundfunkübertragung
lauschen — erst beim Football können sich die amerikanische Psyche, die
amerikanische Energie und die amerikanische Leidenschaft für den Kampf
austoben.
Baseball ist ein Spiel, das unter einem warmen und sonnigen Himmel
stattfindet, Football ist ein Wettkampf, der selbst beim rauhesten Wetter
ausgetragen wird. Die Baseball-Saison beginnt mit der ersten Wärme des
Frühlings und endet im sanften Zwielicht des Frühherbstes. Die Football-Saison
beginnt in der kühlen Herbstluft und endet unter dem gnadenlos kalten
Winterhimmel. Football wird bei Regen, Schnee und Kälte gespielt, und die Fans
müssen wenigstens auch diesen Teil der Härte des Spiels auf sich nehmen. Während
der Baseball-Fan sich bequem in seinem Sitz zurücklehnt und das Gesicht in die
Sonne hält, an seinem Bier nippt, steht der Football-Fan
dicht gedrängt, Schulter an Schulter mit den anderen Football-Anhängern und
läßt eine Flasche Schnaps gegen die Kälte herumgehen. Der Football-Fan ist kein
Schönwetter-Soldat, sondern ein Winter-Patriot.
Baseball ist ein Spiel, in dem Können und Eleganz gefordert sind.
Football ist ein Wettkampf, bei dem die Willenskraft entscheidet.
Oder die Willenskraft der Mannschaft, korrigierte
er. Während Baseball darauf angelegt ist, den einzelnen in einer
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