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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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berührte Hush Stumpys Stirn. Beinahe sofort schoss eine fette Kakerlake aus dem rechten Nasenloch des Toten. Die Kreatur fiel auf den Boden und krabbelte zwischen meinen schwarzen Schuhen davon. In diesem Moment bemerkte ich das Summen von Fliegen.
    »Sie haben ihn gefoltert«, sagte Hush.
    »Sie foltern mich.«
    Der Killer lachte, er lachte wirklich, ein leutseliges freundliches Gelächter. In diesem Moment lernte ich mehr über Hush, als ich je hatte wissen wollen.
    »Lass uns hier verschwinden, Mann«, sagte ich.
    »Wofür sind wir gekommen?«, fragte er und sah mich unvermittelt an.
    »Für das, was die anderen schon haben.«

26
    Als ich nach Hause kam, war es fast Mitternacht. Die Wohnung fühlte sich leer an, aber das war vielleicht nur ich. Ich ging ins Bad und stieg unter die Dusche. Während ich in der türlosen Kabine unter dem eiskalten Wasserstrahl stand, zitterte ich und schalt mich, Verkehrtes zu tun, selbst wenn ich das Richtige wollte.
    Beim Boxen gab es eine Grundregel: Wer keine Schläge austeilt, kann nicht gewinnen, aber wenn man in die Offensive geht, muss man die Tatsache akzeptieren, dass man höchstwahrscheinlich getroffen wird. Deswegen setzen so viele Kämpfer lieber auf Konter – sie warten darauf, dass ihr Gegner den Fehler macht.
    Ich hatte die Initiative ergriffen und war aktiv geworden, um die Aufhebung von Zellas Urteil zu erreichen. In der Dusche vor Kälte schaudernd wurde mir klar, dass Stumpy und Bingo Opfer meiner unüberlegten Mission geworden waren. Anstatt zu helfen, hatte ich alles nur schlimmer gemacht – viel schlimmer.
    »Weißt du noch, wie wir immer zusammen geduscht haben?«
    Katrina war einer der wenigen Menschen, die sich von mir unbemerkt anschleichen konnten. Ich hatte immer gescherzt, genauso verstohlen müsse sie mich wohl auch in unsere Ehe verwickelt haben – doch der Witz hatte sich mit der Zeit abgenutzt.
    Unter ihrem schwarz-gelben Kimono trug sie einen schwarzen Spitzenteddy. Ihre weiße Haut war perfekt,ihr Blick so bezirzend wie seit Jahren nicht mehr. In jeder Hand hielt sie einen Schwenker mit einem dreifachen Cognac.
    »Ja«, sagte ich. »Du hast mir gesagt, dass du die Kälte nicht aushältst.«
    Katrina hatte ihr langes blondes Haar recht achtlos hochgesteckt. Ich erkannte, dass sie getrunken hatte, an dem leichten schwedischen Akzent, der stärker wurde, wenn sie beschwipst war – beschwipst, nicht sturzbetrunken. Ich hatte diesen fremden Zungenschlag nie verstanden, weil sie im tiefsten Amerika aufgewachsen war.
    »Ich bin sehr zart, Leonid.«
    »Wie weiße Haie und Alabaster.«
    »Wie eine Frau.«
    Ich trat aus der Duschkabine, und sie reichte mir ein flauschiges rotes Handtuch. Während ich das Wasser von meinem Körper tupfte und rubbelte, lehnte sie sich ans Waschbecken.
    Katrina war eine schöne Frau. Sie war über fünfzig, hatte jedoch alles getan, um ihren Körper und ihr Gesicht jung zu halten. Und auch wenn ich selbst nicht attraktiv war – ich hatte den Körper eines Kämpfers, hart und grob –, hatten wir beide etwas zu schauen; wir waren bloß nicht mehr daran interessiert. Sie gab mir den Cognac-Schwenker.
    Wenn du sie nicht besiegen kannst, werde wie sie , hatte mein Vater mir einmal erklärt. So haben die großen Kulturen der Vergangenheit ihre Eroberer gezähmt und dadurch überdauert .
    In unserer Wohnung gab es einen kleinen Raum, der zur Straße lag. Manchmal nannten wir ihn das Fernsehzimmer, manchmal nur das kleine Vorderzimmer. Er bot gerade genug Platz für das braune Sofa und den königsblauen Polsterstuhl, die vor einem alten Fernsehschrank standen. Dorthin führte Katrina mich und nahm neben mir Platz. Sie stieß mit mir an, und wir nahmen beide einen tiefen Schluck.
    »Ich wollte mit dir reden, Leonid.«
    Als sie »reden« sagte, lehnte ich mich zurück und von ihr weg.
    »Setz dich gerade hin«, befahl sie, und ich gehorchte.
    Ich hatte meine blaue Anzughose und ein T-Shirt an, das einmal weiß gewesen war.
    »Wo sind die Kinder?«, fragte ich.
    »Dimitri ist bei seiner Hure. Twill – wer weiß, wo der sich rumtreibt? Er hat gesagt, er arbeitet für dich. Und Michelle ist irgendwo und bläst den Schwanz eines alten verheirateten Mannes.«
    Katrina und ich waren definitiv Mann und Frau. Wir liebten uns vielleicht nicht mehr, aber wir wussten genau, wie wir uns gegenseitig unter die Haut gehen konnten.
    »Das ist ja was, womit du dich gut auskennst«, sagte ich in der Absicht, die Angreiferin meiner Tochter

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