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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Vater?«
    Ich zog tief an der Zigarette und sagte in die Rauchwolke hinein: »Ja.«
    »Seit wann hast du ihn nicht mehr gesehen?«
    »Nicht mehr, seit Tourquois geboren wurde.«
    »Verdammt. Soll ich mich noch ein bisschen weiter umhören?«
    Ich ließ ihn mit meiner Telefonnummer und einer Entschuldigung an die Ladys zurück, trat die Zigarette aus und stampfte bis zur 42 nd Street, bevor ich für den Rest des Heimwegs ein Taxi nahm.
    Während ich mich vergewisserte, dass das Sicherheitssystem an der Haustür aktiviert war, hörte ich Katrinas lautes Schnarchen. Bevor ich den Ursprung ihres Gesäges ortete, warf ich einen Blick in Twills Zimmer. Aus reiner Gewohnheit. Er war nicht da, und ich machte mir deswegen keine Gedanken. Er war nachts meistens inder Welt unterwegs. Katrina lag ausgestreckt auf der Schlafcouch in meinem Arbeitszimmer; einer ihrer Füße steckte in einem blauen Pumps, der zweite Schuh lag auf dem Boden. Sie trug ein altes Hauskleid und roch stark nach Alkohol.
    Ihr rechter Arm war über ihr Gesicht gelegt, ihr linker hing über den Rand des Sofas und hob und senkte sich mit ihren heiseren Atemzügen. Bei allem, was mir im Kopf herumging, brachte Katrinas Anblick ein Lächeln auf meine Lippen. In diesem wissenden Grinsen lag mehr Wärme als in der Nacht voller Sex, die wir gerade erst erlebt hatten.
    Sie hatte noch nie Zuflucht in meinem Arbeitszimmer gesucht – soweit ich wusste. Als ich sie mit beiden Armen hochhob, hörte sie auf zu schnarchen.
    »Häh?«, krächzte sie. »Was ist los?«
    »Ich bring dich ins Bett.«
    »O Leonid. Du bist so stark.«
    Es gibt Dinge, die ein Mann einfach gerne hört. Es spielt keine Rolle, wie vorhersagbar oder klischeehaft sie sein mögen. Ein Mann will, dass die Frau in seinen Armen von seiner Kraft bezaubert ist. Und wenn es ihn eines Tages umbringt, na und? Jeder muss irgendwann sterben.
    Ich zog Katrina aus und entkleidete mich selbst. Als ich nackt unter der Decke lag und Katrinas Atem hörte, der jetzt ruhiger ging, stellte ich überrascht fest, wie müde ich war. Ehe ich mich versah, war ich durch den Schleier des Schlafes getreten und hatte mich in einen kleinen Jungen im besten Freizeitpark der Welt verwandelt. Es gab ein echtes Raumschiff und lebendige Elefanten. Die Elefanten liefen unter atemberaubenden Wasserfällen hindurch und setzten mich vor einer Halle mit einem halben Dutzend kichernder nackter Frauen ab, die tausend Mal gespiegelt wurden. Mein Achtjährigenherz pochte so wild, dass ich Angst hatte, ich könnte sterben, bevor ich alle Wunder des Parks gesehen hatte.
    Drei dissonante Glockentöne erklangen, jeder unterschiedlich lang und hoch – aber alle laut. Ich erkannte den Klang. Ich hatte ihn ausgewählt, weil er so beißend und unangenehm war. Die Aufregung aus meinem Traum trug dazu dabei, dass das Adrenalin noch schneller wirkte.
    In weniger als sechs Sekunden war ich auf den Beinen und bewaffnet.
    Von der Schlafzimmertür aus ging ich meine allabendliche Routine nach dem Nachhausekommen rückwärts durch. Ich kontrollierte Twills Bett, weil man Twills Bewegungen verfolgen musste. Er war nicht da. In Dimitris Zimmer sah ich nicht nach, denn er war weg. Aber was war mit Shelly?
    Sie kamen zu zweit den Flur hinunter auf das Schlafzimmer zu. Sie waren schneller an der Haustür mit den Bolzen in Wand und Boden vorbeigekommen, als ich erwartet hatte. Sie liefen hintereinander, leicht gebückt wie Raubtiere, Zwillingsgeparden auf der Jagd.
    Als der Erste meine Anwesenheit spürte und seine Pistole hob, schoss ich. Eine Zehntelsekunde später schlug er mir die langläufige ’44er aus der Hand. Eine posthume Tat, denn die Kugel, die in seinen Schädel eingedrungen war, hatte ihn schon getötet.
    Der zweite Killer versuchte, der fallenden Leiche auszuweichen, und zielte auf meine Brust, doch gestählt durch Gordos Boxtraining stürzte ich mich auf ihn, packte mit der Linken das Handgelenk seiner Schusshand und mit der Rechten seine Kehle. Er war mindestens zehn Zentimeter größer als ich, doch ich hob ihn trotzdem vom Boden hoch. Das Fieber kehrte zurück und fachte meine Wut kurzfristig weiter an wie der Brenner eines Heißluftballons.
    »Urk!«, jaulte er, ein schriller Ton, nicht unähnlich dem Schrei des katzenartigen Raubtiers, an das er mich erinnert hatte. Nachdem er drei Schüsse abgefeuert hatte, kollabierte seine Luftröhre unter meinem Griff. Er starb fast so schnell wie sein Genosse. Ich ließ ihn auf den Boden fallen. Mein

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