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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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sagte ich. »Es ist das, was mir zusteht.«
    »Du liebst sie nicht.«
    »Sonst wäre es ja keine Strafe.«
    »Du bist ihr gleichgültig.«
    »Aber ich bin das Böse, mit dem sie vertraut ist«, sagte ich. »Ich bin so komplett unten durch, dass ich sie nicht mehr enttäuschen kann.«
    »Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, sagte Aura. »Du bist ein guter Mensch, und selbst wenn du es nicht wärst, jeder sollte ein bisschen Glück in seinem Leben haben.«
    Ich stand auf und überreichte ihr einen Umschlag mit dreitausendsiebenhundert Dollar: die Miete für zwei Monate plus einhundert Dollar Verspätungszuschlag.
    Sie nahm das Geld entgegen und sagte: »Ich will dich zurück.«
    »Danke für den Kaffee, Aura. Das hat echt gutgetan.«

10
    Ich saß hinter meinem Schreibtisch, als es klingelte. Das Bild auf dem Monitor in meiner Schreibtischschublade bestätigte mir, dass die Entscheidung, mich von Auras Leben fernzuhalten, unbedingt richtig gewesen war.
    Im Flur lungerte Tony »The Suit« Towers herum, so wie er vor den Häusern in Hell’s Kitchen herumgelungert hatte, als dieser Teil von Manhattan seinem Namen noch alle Ehre machte.
    Ich ging zur Tür, um dem Gangster der mittleren Führungsebene zu öffnen.
    Tony war ein großer, schlanker Weißer von unbestimmbarem mittlerem Alter. Er hatte grüne Augen und behauptete, zweihundertachtundvierzig Anzüge und zu jedem ein anderes Paar Schuhe zu besitzen. Seine Garderobe war nicht besonders edel oder teuer, aber nur wenige Menschen sahen ihn je zwei Mal das gleiche Ensemble tragen.
    An diesem Morgen trug er einen billigen himmelblauen Zwirn, dazu ein schwarzes Hemd und eine gelbe Krawatte. Seine Schuhe hatten die Farbe von Knochen, sein schmalkrempiger Hut war dunkelblau. Als er mich sah, ließ er seine Zigarette fallen und trat sie aus.
    Er hatte einigermaßen gerade, aber abstoßend fleckige Zähne.
    »Hallo, LT«, sagte er. Er sprach unangenehm barsch in dem abgerissenen Ton eines Gewohnheitsverbrechers.
    »Tone.«
    Am meisten beunruhigte mich, dass Towers allein vor meiner Tür stand. Üblicherweise sah man ihn nur in Begleitung von zwei Knochenbrechern namens Lucas und Pittman. Wenn sie mitgekommen wären, hätte ich gewusst, dass Business as usual angesagt war: eine Kollekte oder ein kleines Verhör. Wenn Tony allein unterwegs war, war er ein Hai auf der Jagd, und das bedeutete, dass bereits Blut im Wasser war.
    Wir gaben uns die Hand und lächelten höflich.
    Ich erwog, ihn direkt dort im Flur zu fragen, was er wollte, und ihm, ohne es ausdrücklich zu sagen, klarzumachen, dass er in meiner Welt nicht mehr willkommen war. Aber Tony Towers abzuweisen wäre, als würde man vor dem Schlafengehen eine Klapperschlange unters Bett fegen. Er gehörte nicht den obersten Rängen der New Yorker Unterwelt an, aber seit ich aufgehört hatte, als Privatdetektiv für diverse Mobs und Gangs zu arbeiten, fehlte mir der natürliche Schutz gegen Männer wie ihn.
    Also machte ich einen Schritt zurück und ließ ihn eintreten. Dann ging ich zurück in mein Büro. Tony folgte mir auf dem Fuß. Ich zuckte kaum mit der Wimper. Schließlich ist eine Kugel in den Hinterkopf wahrscheinlich die beste Art, diese Welt zu verlassen.
    Aber Tony erschoss mich nicht. Er betrat mein Büro und nahm unaufgefordert auf dem blauen Klientenstuhl Platz.
    Während ich um den Tisch herum zu meinem Stuhl ging, kam Tony bereits zum Geschäftlichen.
    »Ich hab ein Problem, LT. Eins von der Sorte, auf die du spezialisiert bist.«
    Sitzen war gut. So brauchte ich nichts weiter zu tun, als dem Gangster gegenüber aufmerksam zuzuhören.
    Tony hatte ein langes Gesicht, und nachdem er seinen Hut abgenommen hatte, konnte ich auch seine ausgeprägten Geheimratsecken bewundern. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund, riss ein Streichholz an und fragte dann: »Was dagegen, wenn ich rauche?«
    »Qualm los«, erwiderte ich.
    Die Antwort gefiel meinem unwillkommenen Gast nicht, doch er zündete seine Mentholzigarette an und inhalierte tief.
    »Ich hab da also dieses Problem ...«
    »Ich bin aus der Szene raus, Tony«, unterbrach ich ihn. »Das ist nicht mehr mein Revier.«
    »Hab ich schon gehört. Benny hat mir erzählt, dass du jetzt auf superkorrekt machst. Weißt du, was ich Benny gesagt habe?«
    Ich seufzte.
    »Ich hab Benny gesagt«, fuhr Tony fort, »LT weiß, dass er ein kleiner Fisch in einem großen Meer ist. Ich hab ihm erklärt, dass die einzigen kleinen Fische, die überleben, diejenigen sind, die

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