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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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zu bringen, als den Schlüssel zu benutzen, den Aura mir gegeben hatte, und mit dem Lastenaufzug ins Erdgeschoss zu fahren.
    Vartan saß an einem Ecktisch und nippte an einer Espressotasse aus Porzellan. Sein lavendelfarbener Anzug wirkte fast ein wenig unauffällig, während seine mit Picassos Guernica bedruckte Krawatte auf eine gewisse Kultiviertheit verwies.
    Harris Vartan hatte silberne Haare, olivfarbene Haut und Augen, die zumindest schwarz aussahen. Je nach Standpunkt war er entweder der Rahm oder der Abschaum, der in dem Gefäß, das New York City darstellt, oben schwamm.
    »Leonid«, sagte der elegante Berater des Bösen und schenkte mir ein minimales Lächeln. »Wie ich sehe, hast du Tonys Männer abgeschüttelt.«
    Dies würde das einzige Mal bleiben, dass Vartan, in Polizei- und Verbrecherkreisen auch als »der Diplomat« bekannt, Tonys Namen erwähnte.
    Man musste echt auf Draht sein, um auf der Höhe von Vartans Geplauder zu bleiben. Er sprach in Andeutungen und Metaphern, die viel zu vage waren, um je als Beweismittel in einem Gerichtssaal Verwendung zu finden.
    »Ich bin raus, Mr. Vartan«, sagte ich. »Komplett raus.«
    Der rüstige Siebzigjährige gönnte sich einen weiteren Hauch von Belustigung und verzog kaum merklich die Lippen.
    Niemand steigt aus , sagte sein Lächeln, es sei denn flach auf dem Rücken .
    Kennengelernt hatte ich Harris Vartan als Zwölfjähriger, als er noch Ben Tilly hieß. Er und mein Vater versuchten gemeinsam, die Arbeiter zu organisieren, aber Ben und mein alter Herr hatten unterschiedliche Wege eingeschlagen.
    »Ich bitte dich nur zu tun, was du tust«, sagte er. »Schließlich definiert ein Mann sich durch seine Arbeit.«
    Ein auf dem Tisch liegendes Handy vibrierte. Vartan beachtete es gar nicht.
    »Ein Mann definiert sich auch dadurch, wer für ihn arbeitet«, sagte ich, »und für wen er arbeitet.«
    »Manchmal ist nicht ganz klar, wer für wen arbeitet.«
    »Das mag sein«, räumte ich ein, »es sei denn, die fragliche Person ist selbständig.«
    »Niemand ist eine Insel«, sinnierte Vartan, »und kein König ist nicht auch ein Mensch.«
    In diesem Moment tauchten Lucas und Pittman in der offenen Glastür des Cafés auf. Vartan hob einen Finger, und die beiden blieben wie angewurzelt stehen.
    »Mach deinen Job«, sagte Vartan und stand vom Tisch auf. »Mehr erwartet niemand von dir.«
    Ein Kellner eilte herbei. »Wollten Sie die Rechnung, Sir?«
    »Mein Freund zahlt.«
    Tonys Wachhunde auf den Fersen verließ Vartan das Lokal.
    Während ich mein Portemonnaie zückte, fragte ich mich, was der alte Freund meines Vaters mir sagen wollte. Jede Nuance einschließlich der Tatsache, dass er mitTonys Männern hier aufgekreuzt war, bedeutete, dass ich wie auch immer genau das Richtige machte.
    Oder eben nicht.

28
    Ich hatte einmal einen Partner. Er hieß Bill. Bill war okay, und wir beide waren zumindest fachlich gesehen und auf eine zwielichtige Art und Weise ein ideales Gespann. Er war ein großer attraktiver Weißer mit sandfarbenem Haar, der ein paar Jahre das College besucht hatte, was bedeutete, dass er immerhin lesen und schreiben sowie zwei und zwei zusammenzählen konnte. Ich war ein Baumstumpf von einem Schwarzen, zu Hause erzogen von einem in der Wolle gefärbten Kommunisten, den Kopf vollgestopft mit mehr Büchern und Ideen als ein Bibliothekar in Oxfords Bodleian Library.
    Wir beide, Bill und ich, haben Dinge getan, mit denen wir vor einem Richter und Geschworenen nicht gut ausgesehen hätten, aber wir waren glatter als Graphit auf einem Eisblock, so dass die Gerichte ebenso gut im Himmel hätten tagen können, während unsere Füße tief im New Yorker Sumpf steckten.
    Ich vertraute Bill.
    Er vertraute mir.
    Ich hatte den Verdacht, dass er ein oder zwei Mal mit meiner Frau geschlafen hatte, aber Katrina und ich schliefen so viel herum, dass das Wort »untreu« in unserem privaten Wortschatz Synonyme wie »unartig« oder »durchtrieben« hatte.
    Bill und ich hatten kein Büro. Wir trafen uns in Cafés oder Steh-Pizzerien und planten dort, wie wir für unsere Klienten Unschuldige zu Fall brachten. Das war dieeine Hälfte unseres Geschäfts. Die andere Hälfte bestand in der verschwiegenen Lösung interner Streitigkeiten.
    Einmal wurden wir von Four-Fingers John Marr engagiert, der Polizei ein Dokument zuzuspielen, das seinen Rivalen Hard Joe Tyner belastete. Es war eine delikate Transaktion, deren Planung einen halben Tag erforderte. Wir besprachen sie bei einem

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