Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman
Rundgang durch das Museum of Modern Art. Während wir vorgaben, die Gemälde von Lichtenstein und Rauschenberg zu betrachten, heckten wir einen Plan aus, der alle Punkte unseres Auftrags abdeckte.
Hard Joe hatte in seiner ansonsten lupenreinen Verbrecherkarriere einen Fehler gemacht. Er erpresste den Präsidenten einer Versicherungsgesellschaft und kassierte das Geld durch eine komplizierte Kette von Überweisungen persönlich. Marr hatte eine Liste mit den Nummern der verwendeten Konten erhalten. Mehr würden die Bullen nicht brauchen. Sobald sie das Opfer identifiziert hatten, mussten sie ihm nur noch Immunität anbieten, und Tyner würde hart auf dem Boden landen.
Aber Marr wollte jeden Verdacht von seiner Person fernhalten, deshalb kam er zu uns – zu mir und Bill.
»Ich verstehe nicht, warum er den Scheiß nicht einfach in einen Umschlag stecken und an einen Detective schicken kann, der mit Ermittlungen gegen das Organisierte Verbrechen betraut ist«, sagte Bill, nachdem wir einem Museumswärter unsere Eintrittskarten gezeigt hatten.
»Tyners Leute würden Marr sofort verdächtigen«, sagte ich geduldig. »Er hat am meisten zu gewinnen.«
»Na und?«
»Das wäre unprofessionell. Und ein guter Anwalt könnte die so gewonnenen Beweise wegen irgendeines verfahrenstechnischen Details ausschließen lassen. Außerdem schöpft die Polizei womöglich Verdacht. Oder sie sind – noch schlimmer – so blöd, dass sie den Hinweis ignorieren.«
»Wir könnten es selber abgeben«, schlug Bill daraufhin vor. »Wir marschieren einfach ins One Police Plaza und sagen: ›Hey, guckt mal, was wir gefunden haben.‹«
»Und müssten fortan nach der Pfeife der Bullen tanzen. Jedes Mal wenn wir Nein sagen, würden sie drohen, uns zu verraten.«
So fingen unsere Gespräche immer an. Bill hatte einen scharfen Verstand, war aber faul. Er betrachtete unseren Job nicht als Handwerk, sondern eher wie eine kleine Billardsalon-Abzocke, die man im Vorbeigehen erledigt. Wenn es darum ging, einen endgültigen Plan auszuhecken, hörte er jedoch zum Glück auf mich, und wir setzten unseren Museumsbesuch fort.
Nachdem wir unsere Portion Kultur genossen hatten, bestellten wir im Museumscafé Espresso und Biscotti. Ich erwähnte einen Freund von Bill, der für Tyner arbeitete. Der Mann hieß Sharp. Sharp stand bei einem Buchmacher in der Kreide, der keine Angst vor Tyner hatte. Tyner mochte es nicht, wenn seine Leute spielten, und hätte Sharp die Hölle heiß gemacht, wenn er davon erfahren hätte. Sharp wiederum war gut bekannt mit Tyners Buchhalter Norman Bly. Bly hatte eine Freun-din namens Mae Lynn, die es schaffte, auszusehen wie Jayne Mansfield, obwohl sie kaum älter war als ShirleyTemple, als die »On the Good Ship Lollipop« gesungen hatte.
Unser Plan folgte der Natur, was immer der beste Weg ist. Warum sollte man sich durch einen Berg sprengen, wenn durch Erosion bereits ein perfekter Pfad ausgeschachtet war?
Zunächst würden wir belastende Fotos von Bly und Mae Lynn machen, dann würden wir zu Sharp gehen und ihm das Bargeld anbieten, das er brauchte, um die Knochenbrecher seines Gläubigers loszuwerden; dafür müsste er nur an einem bestimmten Tag ein paar Dokumente in Blys Koffer schmuggeln. Wir würden vorgeben, dass diese Unterlagen ausschließlich Bly belasteten.
Erst jetzt war es sinnvoll, sich an das Dezernat für Organisierte Kriminalität zu wenden. Wir würden die Fotos und die Adresse von Mae Lynns Vater von einem Kurier überbringen lassen. Am selben Nachmittag wollten Bly und Mae Lynn sich in einem Hotel in Manhattan treffen, das von Tyners Immobilienfirma verwaltet wurde. Wir mussten uns keine Sorgen machen, dass die Bullen unsere Lieferung ignorierten. Fotos von dem fetten alten Norman mit einer reifen Vierzehnjährigen würden sie bestimmt gerne herumzeigen.
Es funktionierte wunderbar. Die Bullen erwischten das Pärchen in flagranti. Sie beschlagnahmten Blys Aktenkoffer, fanden die Kontonummern, die Tyners Verbindung zu der Erpressung belegten. Sie boten Bly einen Deal an, den er nicht ablehnen konnte, und Tyner wanderte ins Gefängnis.
Es lief alles ganz genau wie geplant ... doch es gab ein Problem.
Bill ließ sich von seinem College-Diplom in die Scheiße reiten. Da er eine bessere Ausbildung genossen hatte als die meisten seiner Gangster-Freunde, hielt er sich für schlauer – als alle anderen. Deshalb dachte er sich, wenn wir fünfzehntausend von Marr kriegten, würde Tyner das Doppelte zahlen. Er
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