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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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es mit Belohnung, Strafe und sogar mit einem Kinderpsychologen versucht. Die Geschenke teilte er mit seinen Geschwistern. Die Strafen ertrug er ohne Tränen oder Wut. Ich kann auch nur Vermutungen anstellen, lautete die Diagnose seiner Therapeutin. Sie war eine ehrliche Frau namens Powell; nach siebzehn Sitzungen beendete sie die Behandlung.
    Nichts konnte Twill von dem Ärger abhalten, von dem er sich angezogen fühlte. Aber er hatte ein eigenes Ehrgefühl. Selbst als Kind hatte er nie Verwandte oder Freunde bestohlen. Nachdem er als Elfjähriger eine gewisse Bewegungsfreiheit erlangt hatte, wurde dieser Burgfriede auf unsere Nachbarn ausgeweitet. Sein Lächeln und seine kriminellen Pläne waren für ihn so natürlich wie atmen. Ich konnte ihn nicht davon abhalten zu sein, wer er war. Meine Aufgabe bestand darin, ihn am Leben und auf freiem Fuß zu halten, bis er erwachsen war.
    »Und?«, fragte ich, nachdem wir beide lagen und das Licht aus war.
    Es war ein sehr bequemes Bett. Twills knallgelbes Laken hatte eine Fadenzahl von mindestens zwölfhundert.
    »Und was, Dad?«
    »Was für Ärger hast du, Sohn?«
    »So ist das nicht, Pop«, sagte er leise. »Mardi und ich sind bloß Freunde. Sie musste zu Hause weg, und ich wusste, dass Shell sie nett aufnehmen würde. Es gibt kein Problem.«
    »Da irrst du dich, Twill«, sagte ich. »Das Problem ist, dass du unter deinesgleichen mit Abstand der Beste bist. Aber das heißt nicht, dass es dort draußen keine Leute gibt, die noch besser sind als du. Ich will nur sagen, dass man sich manchmal auf irgendjemanden verlassen muss.«
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, erhob sich seine Stimme vor Unschuld triefend aus der Dunkelheit.
    »Sag mir, warum du das Gefühl hast, du müsstest Mardi beschützen.«
    »Ich tu ihr bloß einen Gefallen, Dad. Das ist alles.«
    Ich hatte nicht erwartet, dass er mir etwas erzählte. Diese Scharade eines Gesprächs sollte ihn nur in dem Glauben wiegen, ich sei argwöhnisch wegen des Mädchens, damit er, wenn ich aktiv wurde, nicht den Verdacht schöpfte, dass ich seinen E-Mail-Account überwachte.
    Es brannte überall um mich herum. Meine Kleidung glimmte, und ich bekam kaum Luft, weil ich rennend Rauch inhalierte. Ich lief einen langen dunklen Metallflur entlang, bis ich auf eine große Eisentür stieß. Ich zog meine brennende Jacke aus, wickelte sie mir um die Hand und versuchte, den Knauf zu drehen ... doch er gab nicht nach. Ich rammte mit der Schulter gegen die Tür, aber sie war abgeschlossen. Ich schaute mich nach einem anderen Fluchtweg um, doch da stand plötzlich Timothy Moore, versperrte mir den Weg und richtete den langen Lauf einer Pistole auf meine Stirn.
    In diesem Augenblick blieb die Zeit stehen. Auf der Suche nach einer Antwort blickte ich in die Augen des Mörders.
    Warum haben Sie mich den Empfang des Geldes quittieren lassen? Warum wollen Sie mich töten ?, wollte ich ihn fragen, doch sobald mir die Worte auf den Lippen lagen, setzten sie die Zeit wieder in Gang, und er schoss.
    Ich richtete mich aus dem edlen Bettzeug auf. Mein Herz pochte wie ein Presslufthammer. Erst nach mehr als einer Minute konnte ich wieder ruhiger atmen.
    Auf allen vieren kroch ich zum Fußende. Twill schlief tief und fest in seinem Schlafsack. Er hatte das Netz zur Seite geschlagen und die Vorderseite bis zur Hüfte geöffnet, so dass ich sein friedliches Gesicht umrisshaft ausmachen konnte.
    Ich ging zu dem kleinen Esstisch in Katrinas Fast-Profiküche. Ich hatte mein Jackett dabei und suchte darin vergeblich nach Zigaretten, bis mir einfiel, dass ich wieder mit dem Rauchen aufgehört hatte. Ich ging zum Küchenschrank, um die Flasche Cognac herauszuholen, die Katrina dort aufbewahrte.
    Drei Gläschen später hatte ich mich wieder so weit beruhigt, dass mein Puls fast normal ging und mein Verstand einigermaßen linear funktionierte. Timothy Moores Geschichte, egal wie gut sie auch sein mochte, ergab keinen Sinn. Die Dominosteine passten zu perfekt zueinander. Natürlich bestand eine kleine Chance, dass er ehrlich war, doch davon auszugehen wäre idiotisch gewesen.
    Ich nahm mein Privathandy und gab »666« ein.
    Und obwohl es 3.17 Uhr in der Frühe war, wurde nach dem ersten Klingeln abgenommen.
    »LT?«
    »Hush.«
    »Was brauchst du?«
    »Ein bisschen Unterstützung.«
    »Wann und wo?«
    Nach diesem Traum war für Stunden nicht an Schlaf zu denken.
    Ich ging ins Wohnzimmer und sinnierte über meinen wilden Verstand.
    Solange ich denken konnte, war

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