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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Leichtes, hinter seine Tarnung zu schauen. Ich rief einen Bekannten an, den Bruder einer Ex-Freundin von Carter. Er erzählte mir von einem sicheren Haus, das Carter für »ausländische Würdenträger« unterhielt, kolumbianische Drogenbarone, russische Gangster, chinesische Sklavenhändler und mexikanische Kartellbosse, die für ein breites Spektrum illegaler Arbeit im großen Stil Schutzgelder erpressten.
    Ich hatte keine Schuldgefühle, einen Bruder zu verraten. Schließlich hatte er eine schwarze Frau und ihr Kind entführt. Und Carter war ein sehr böser Mann, böser als ich es je gewesen war, deshalb hatte ich keine Bedenken, ihm seine menschlichen Schutzschilde zu nehmen.
    Carter verschwand noch am selben Abend, und Hush nahm seine Dienste vom Markt. Er fand einen Job als Fahrer für einen exklusiven Limo-Service und chauffiert jetzt prominente Kunden, die möglicherweise Schutz brauchen.

44
    Als es dämmerte, kroch ich zurück ins Bett meines Sohnes und fiel in tiefen Schlaf, ohne dass Brände oder versteckte Mörder meine Träume störten. Als ich schließlich aufwachte, war es kurz nach neun, und das Haus war leer. Ich ging durch die Zimmer unserer Vorkriegswohnung, doch niemand war da. Die Kids besuchten ihre Sommerkurse, und Katrina war im Fitness-Studio.
    Ich machte mich an die Arbeit.
    In einem kleinen Fach, das Twill in die Bodenplatte des Kleiderschranks gesägt hatte, fand ich in einer angekratzten Kiste aus Kirschholz eine .22er. Die Waffe war nicht geladen, doch eine Schachtel mit Munition lag daneben. Ich erwog, sie zu konfiszieren, überlegte es mir jedoch anders. Twill war zu clever, um sich dadurch lange aufhalten zu lassen, und außerdem hatte ich noch mehr als eine Woche Zeit, bis er sein Verbrechen begehen wollte.
    Ich traf Hush um 10.45 Uhr im aufgeschickten Meatpacking District südlich der 14 th Street. Normalerweise fuhr er den Firmen-Rolls-Royce, doch heute saß er am Steuer einer schwarzen Lincoln-Limousine. Es war nicht nötig, Aufmerksamkeit zu erregen, wenn möglicherweise Unheil drohte.
    Ich stieg hinten ein, und er sah mir im Rückspiegel in die Augen. Ich weiß nicht, wonach er suchte, doch er schien zufrieden.
    »Wie lautet der Plan?«, fragte er.
    »Moore behauptet, der Erpresser hätte verlangt, dass das Geld heute Abend um zehn in Apartment C im zweiten Stock gebracht wird. Ich möchte den Raum verwanzen und sehen, was sich vorher dort abspielt.«
    Der Killer nickte knapp und drehte den Zündschlüssel um.
    »Ich bin bloß die Versicherung«, sagte er, als wir anfuhren.
    Ich sah keinen Grund, eine Tatsache zu bestätigen, und blieb deshalb stumm.
    Der baufällige Kasten lag ein paar Häuser östlich des West Side Highway auf der nördlichen Straßenseite. Wir parkten am anderen Ende des Blocks. Moore hatte mir erklärt, dass hinter einem lockeren Stein direkt über dem Briefkasten ein Schlüssel versteckt war, aber Hush und ich gingen ums Haus und brachen die Kellertür auf.
    Wir hielten beide unsere Pistolen im Anschlag, und ich leuchtete uns mit einer Stiftlampe den Weg. Die Tür zu dem Ein-Zimmer-Apartment stand offen. Ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen fielen durch die Ritzen zwischen den Brettern vor den Fenstern. Wir schlüpften durch die Tür und sahen uns um, bevor ich einen kleinen Holzklotz an eine der Fensterbänke nagelte.
    »Gute Location, um jemanden umzubringen«, bemerkte Hush.
    Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter.
    Der angekratzte, schmutzige, unbehandelte Holzklotz enthielt einen Sender und eine winzige Fiberoptik-Linse, die wie die Spitze eines Nagels herausragte,und war so unscheinbar, dass man ihn nur bemerken würde, wenn man sich täglich in dem Raum aufhielt.
    Wir gingen zurück zu Hushs Wagen und schalteten den Laptop ein, der die Daten von Tinys Spezialwanze empfing. Das Bild eines dunklen Raums erschien, und wir mussten nur noch warten. Bei der kleinsten Bewegung würde ein rotes Licht am unteren Bildschirmrand aufflackern.
    Ich setzte mich mit dem Computer auf die Rückbank. Hush blieb vorne sitzen, stumm wie Staub.
    Hin und wieder blitzte es rot auf, weil vorbeihuschende Ratten den Sensor ausgelöst hatten, aber das war alles.
    Kurz nach eins setzte die Langeweile ein.
    »Wie geht’s, Hush?«
    Er wandte mir nur sein Profil zu, doch ich bemerkte die milde Verblüffung in seinem Gesicht. Niemand, der Hush kannte, versuchte, Smalltalk mit ihm zu machen. Nach einer Weile drehte er sich so weit um, dass er mich direkt ansehen konnte. Anfangs

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