Manhattan
Basin wirkt völlig fehl am Platz, dachte Walter, als er an der Telefonzelle stand und auf die kleine Marina hinunterblickte, die in das Ufer des Hudson eingeschnitten war. Doch das Boat Basin mit seinen kleinen Segelbooten wirkte zu idyllisch für diese Stadt mit ihren riesigen Anlegern für Kreuzfahrtschiffe und Frachter. Das Boat Basin wirkte zu ruhig, zu klein – nur ein paar Segelboote bewegten sich sacht auf diesem stillen, dunklen Teil des Flusses, der mehr durch die Lagerhäuser auf der Jersey-Seite erleuchtet wurde als durch die Lichter Manhattans, die von den dichtbelaubten Bäumen des Riverside Parks ausgesperrt wurden.
»Um neun Uhr am Boat Basin«, sagte er in den Hörer und legte dann auf.
Er beobachtete vom Ufer aus, wie auf einem der kleinen vertäuten Segelboote ein Licht viermal blinkte – das vereinbarte Signal. Er sah sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass niemand ihm gefolgt war. Dann schlenderte er zum Dock hinunter und ging an Bord.
Der Schwerfällige begrüßte ihn, indem er eine Pistole auf Walters Brust richtete und ihm mit einer Handbewegung befahl, in die Kabine hinunterzugehen.
»Du bist umwerfend, Walter«, sagte Morrison. Er saß in einem Deckstuhl und streckte seine langen Beine aus. »Das war wirklich ein glänzender Einfall, die Bänder zu klauen und dann am Treffpunkt diese Botschaft zu hinterlassen … Ich bin aber ziemlich sauer auf dich, weil du mich gezwungen hast, in Territorialgewässer zu segeln. Scheiße, von all den Sicherheitsleuten in der Welt muss Keneally ausgerechnet dich aussuchen. Das ist vielleicht ein Pech. Martini? Echter russischer Wodka?«
»Nein danke.«
»Jetzt spiel doch nicht die beleidigte Leberwurst, Walter«, fuhr Morrison fort. Er zeigte auf einen zweiten Mann in der Kajüte. Der Sprinter. Der Mann füllte Morrisons Glas mit einem neuen Drink.
Der Schwerfällige trat hinter Walter und begann ihn abzutasten.
»Du verschwendest deine Zeit, Igor«, sagte Morrison. »Mr. Withers trägt keine Waffe.«
Der Schwerfällige ignorierte Morrison und beendete seine Durchsuchung.
»Hab ich dir doch gesagt«, knurrte Morrison. Er zeigte auf einen Stuhl vor sich. »Mach es dir bequem, Walt.«
Walter setzte sich und legte den Aktenkoffer auf den Schoß. Der Schwerfällige setzte sich auf den Stuhl neben Morrison
und legte die Hand mit der Pistole auf den Schoß, wobei der Lauf immer noch auf Walter zeigte. Die drei Männer waren in der winzigen Kajüte so eng zusammengepfercht, dass sich ihre Knie fast berührten.
»Heißt er wirklich Igor?«, fragte Walter.
Morrison zuckte die Achseln. »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Um die Wahrheit zu sagen, war ich nicht so sicher, dass du es heute Abend schaffen würdest.«
»Um ein Haar hätte ich es auch nicht geschafft.«
»Richtig«, erwiderte Morrison. »Igor und seine kleinen Spielgefährten waren fest davon überzeugt, dass du es nicht schaffen würdest, weil du kein richtiger Player bist, du weißt schon. Ich habe sie darauf hingewiesen, dass du dich bisher ganz gut gegen sie behauptet hast. Das hat ihnen gar nicht gefallen, aber irgendwie freue ich mich, dich zu sehen. Bist du wirklich sicher, was den Martini angeht?«
»Hast du Pentobarbitol reingetan?«
Morrison gluckste und sagte: »Sei nicht so giftig.«
»Hast du sie getötet?«
»Persönlich?«, fragte Morrison. »Nein, ich bin gerade erst angekommen. Das war Igor, oder wie zum Teufel er auch heißen mag. Ich habe allerdings den Befehl dazu gegeben. Musste es tun. Du warst uns auf der Spur, und sie war außer Kontrolle geraten. Wenn du mich nicht angerufen hättest, Walter, hätte ich es vielleicht nie erfahren, und dann würde Marta noch heute fröhlich rumbumsen. Stattdessen bekam sie eine Spritze von Igor. Er ist ein hässliches Werkzeug, nicht wahr?«
Er ist ein kräftiges Werkzeug, dachte Walter, und ja, hässlich auch. Ein großer kahlköpfiger Kugelschädel mit weit auseinanderstehenden Augen.
»Und er hat auch die arme Alicia getötet und vergewaltigt?«
»Das nehme ich an«, erwiderte Morrison. »Getötet und ver
gewaltigt? In der Reihenfolge? Igor, du böser kleiner Iwan, du.«
Igor zeigte keine sichtbare Reaktion, wenn man davon absah, dass er Walter noch finsterer anstarrte.
»Ich hoffe, du hast die Sex-Bänder von Joe Keneally mitgebracht« sagte Morrison.
Walter tippte auf den Aktenkoffer.
»Gute Entscheidung, Walt«, lobte Morrison. »Die Russen sagten, du würdest dein Land niemals verraten, aber ich
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