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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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eine ist!«
    »Woher willst du das wissen?!«
    »Weil ich mit ihr geschlafen habe!«
    Er ließ sie los, und sie rutschte mit dem Rücken an der Wand hinab. Dann hockte sie sich hin und verbarg das Gesicht in den Händen.
    »Du …?«
    »Ich habe mit ihr geschlafen«, sagte sie müde. »Und um deine Frage noch genauer zu beantworten, ich habe sie dafür bezahlt, dass sie mit mir schlief.«
    »Mehr als einmal?«
    »O ja«, sagte Anne. »Du weißt doch, wie sie ist.«
    »Nein, das weiß ich nicht.«
    Sie sah zu ihm hoch. Mit was für einem Ausdruck?, fragte sich Walter. War es Überraschung? Dankbarkeit? Verachtung? Abscheu?
    »Der heilige Walter«, sagte sie.
    »Fahr zur Hölle.«
    »Da bin ich schon, Walter.«
    Am liebsten hätte er sie zu sich hochgezogen und in den Armen gehalten. Ihr gesagt, dass sich nichts verändert hatte, dass er sie liebte, sie wollte. Doch etwas hielt ihn davon ab, etwas, was so kalt und rau war wie ein Winter in New England. Also stand er nur da, blickte auf sie hinunter und hörte sich fragen: »Als wir schon zusammen waren?«
    »Ja.«
    »Was ist mit Alicia?«, bellte er. »Schläfst du auch mit ihr?«
    Sie sah zu ihm hoch. Ihre grauen Augen waren so traurig. Sie sagte: »Vielleicht.«
    Und er stand nur da.
    »Geh jetzt, Walter«, sagte sie nach einer Minute. »Kannst du jetzt einfach gehen? Bitte?«
    »Wirst du zurechtkommen?«
    »Raus.«
    Und die Vergebung der Sünden, dachte Walter, als er leise die Tür hinter sich schloss. Und die Vergebung der Sünden.

ILL WIND
    Samstag, 27. Dezember 1958
    Walter Withers taumelte auf die frühmorgendlichen Straßen hinaus, wo die Dunkelheit nur durch die schwachen Lichtkegel der Straßenlaternen durchbrochen wurde. Der Triumphbogen ragte am Washington Square unheimlich auf wie ein spöttisches Gespenst aus seinen glücklichen Tagen mit Anne in Paris. Aber jetzt gibt es keinen Triumphmarsch, dachte er. Keinen sonnigen Aprilnachmittag, sondern einen kalten New Yorker Morgen.
    Er versuchte die Offenbarungen in der Reihenfolge zu bewältigen, in der sie ihm erschienen waren: Keneally und Marta. Marta und Morrison. Marta und Anne.
    Keneally und Marta. Auf den ersten Blick offenkundig genug. Der Senator ist durchaus der Ritter, ist verheiratet und bemüht sich um das Präsidentenamt. Folglich hält er die Affäre geheim, und als sie an die Öffentlichkeit zu gelangen droht, beendet er sie.
    Insoweit nichts Außergewöhnliches. Fast alltäglich in seiner traurigen Vorhersehbarkeit, abgesehen von der Berühmtheit der Beteiligten.
    Weiter, Marta und Morrison. Morrison ein vermeintlicher Ritter, der jedoch behauptet, dass seinem Stahl die nötige Spannkraft fehlt. Duckt sich vor Angst vor dem Fliegenfänger. Aber Marta sagt das genaue Gegenteil. Morrison habe sie zum
Weinen gebracht. Doch Morrison behauptet, er habe nie das Vergnügen gehabt. Und wie jeder gute Ermittler weiß, kommt es nicht auf die Substanz der Lüge an, sondern auf das Motiv dafür.
    Doch welches Motiv? Warum soll ein Mann über seine sexuelle Leistungsfähigkeit lügen? Warum soll ein alleinstehender junger Mann leugnen, mit einem Starlet wie Marta Marlund ins Bett gegangen zu sein?
    Und dann, dachte Walter, als er durch die Straßen des Village schritt, während er die frühmorgendlichen Laute der Stadt hörte, das Scheppern von Mülleimern an den metallenen Containern, die Motoren von Lieferwagen, die in der kalten Luft husteten, und dazu das schmerzliche Couplet: Marta und Anne.
    Marta und Anne.
    Ist es, fragte er sich, nur die Untreue, die so weh tut? Die sexuelle Gleichzeitigkeit? Dass sie mit mir und zur gleichen Zeit mit Marta geschlafen hat? Dafür bezahlt hat, mit Marta zu schlafen? Und ist der homosexuelle Aspekt der Affäre gleichermaßen besorgniserregend oder noch verstörender? Ist es besser oder schlimmer, dass sie dich mit einer Frau betrügt statt mit einem Mann?
    Was sonst noch? Ist es dir jetzt lästig? Kommt es dir abgeschmackt vor, dass wir jetzt alle irgendwie Verwandte sind? Dass es jetzt eine fleischliche Verbindung gibt – du mit Anne, Anne mit Marta, Marta mit Morrison. Also bist du, mein Junge, mit dem unreifen Morrison durch Schweiß, intimes Gewebe, durch Keuchen, Stöhnen und Schreie verbunden.
    Wie du übrigens auch mit Keneally durch eine identische Brücke verbunden bist. Über Anne und über Marta liegen wir alle im selben Bett.
    Und das macht dich zornig, sagte sich Walter. Und was sonst? Ängstlich.
    Er blieb stehen, nahm eine Zigarette aus der

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