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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Europa ein Spion der CIA war? Möchtest du einen Espresso?« Richtig, das müsste genügen. Dann sollte er hinzufügen: »Übrigens, deine gelegentliche sapphische Geliebte ist eine Hure der Firma. Vielleicht solltest du in Zukunft ein bisschen diskreter mit deinen Kopfkissengeschichten sein.«
    Ja, du solltest es ihr sagen. Nur für den Fall, dass Marta tatsächlich einen Job für Morrison und die Firma erledigt. Aber du kannst es ihr natürlich nur dann erzählen, wenn du ihr
auch verrätst, woher du diese geschmacklosen Geschichten kennst. Sag ihr, dass dein Leben mit ihr weitgehend eine Lüge gewesen ist.
    Doch auch das stimmt nicht ganz. Die Liebe war keine Lüge. Die Liebe war real.
    Und du bist nie mit einer anderen Frau ins Bett gegangen. Mit einem anderen Mann übrigens auch nicht, falls das der korrektere Vergleich sein sollte.
    Du hast sie nie betrogen.
     
    Walter schlenderte zur Hudson Street, zur White Horse Tavern. Das White Horse, dachte Walter, in dem Dylan Thomas seinen letzten Drink nahm, bevor er unsanft in jene gute Nacht hinaustorkelte. In dem alten Pub war es still. An seinen alten, mit Holzpaneelen verkleideten Wänden kippten ein paar irische Stauer ihr Bier, und in einer Nische saßen einige junge Intellektuelle aus dem Village und diskutierten. Walter fragte sich, was es sein mochte, worüber junge Intellektuelle aus dem Village heutzutage diskutierten. In diesem Fall war es Brigitte Bardot, wie Walter aufschnappte.
    Und immer lockt das Weib  – ja, tatsächlich, dachte Walter.
    Walter setzte sich auf einen Hocker an der Bar.
    Es gibt nur wenige Dinge, dachte er, die ein Mann tun kann, wenn er Ärger mit einer Frau hat: trinken, arbeiten oder fischen gehen. Walter Withers hatte nicht die Zeit, aufs Land zu fahren, um sich einen guten Forellenbach zu suchen, und so begann er, sich an einer Flasche Jamieson's abzuarbeiten.
    Walters bisheriges Leben hatte auf strikter Selbstbeherrschung beruht. Er hatte den Deckel sozusagen verschlossen gehalten – ganz fest –, so dass schon das Abnehmen des Deckels eine symbolische Handlung war. Er war sich dessen natürlich bewusst. Wenn jemand so viele Jahre lang strikte
Selbstbeherrschung übt, bemerkt er schon das kleinste Nachlassen der Disziplin, und das Trinken während der Arbeitszeit ist keine Kleinigkeit.
    Es ist paradox, hatte sein Vater ihm gesagt. Ungeheure Selbstbeherrschung bringt ungeheure Freiheit mit sich. Erst ein tyrannisierter Geist erlaubt einem, frei zu handeln. Undisziplinierte Menschen entscheiden sich nie frei für ihr Handeln, disziplinierte jedoch immer.
    Sehr schön, dachte Walter Withers an diesem kalten grauen Samstag. Ich habe mich entschieden zu trinken. Zu trinken und hässlich zu sein. Zu trinken und grausam zu sein.
    Letztlich, dachte er, ist das Abschlachten der unschuldigen Kinder durch Herodes das blutige Nachspiel von Weihnachten. Und man feiert es nur nicht, damit es die Weihnachtsgefühle nicht ruiniert. Josef und Maria schmuggelten das Zielobjekt – oder brachten es heimlich wieder zurück, wenn man so will – über die feindliche Grenze, als es wieder sicher war, und hielten es dreißig Jahre lang unter Verschluss. Ein Schläfer, der als Zimmermann getarnt lebte. Oh, da gab es gelegentlich einen Ausrutscher: Wasser in Wein verwandeln und reichlich frühreife Bemerkungen in Synagogen und dergleichen, doch im wesentlichen funktionierte es, bis Gott ihn gebrauchen konnte. Dann taucht der Schläfer urplötzlich auf und wird drei Jahre lang aktiv. Es endet wie immer: ein Schauprozess, Folter, Hinrichtung, und niemand kann den Leichnam finden. Wenn schon Gottes eigener Agent keine Chance hatte, wer unter ihnen sollte dann eine haben?
    Egal wie fest man den Deckel verschließt.
    Frag doch Michael Howard.
    Natürlich würde Walter es nachweisen und sich vergewissern müssen, dass Howard in einer Wohnung in Gramercy einen homosexuellen Liebhaber traf, denn er musste sicher
sein, dass es nur das war – nur das? – und Howard nicht doppelt Verrat begangen hatte, an seiner Frau und an seiner Firma. Und es war natürlich Walters wunderbare Aufgabe, den Liebhaber zu identifizieren und aufzuspüren und zu bestätigen, dass er absolut nichts mit der Elektronikindustrie zu tun hatte. Warum war Anne so versessen darauf gewesen, dass ich zu der Party im Good Night komme? Um mich zu verhöhnen? Um die Entdeckung heraufzubeschwören? Um mich behutsam darauf aufmerksam zu machen, dass sie Frauen ebenso liebt wie Männer

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