Manhattan
»Falls wir uns mit Vornamen anreden wollen, Detective, sollte das für beide gelten.«
»Sam. Nicht Sammy.«
»Walter. Nicht Walt. Und ich bin Detektiv bei Forbes and Forbes.«
Zaifs Hand griff in den Mantel.
»Sie haben einen Waffenschein, Walter?«, fragte er.
»Ja.«
»Haben Sie jetzt eine Waffe bei sich?«
»Ich besitze gar keine.«
»Beantworten Sie die Frage, die ich Ihnen gestellt habe.«
»Ich habe im Augenblick keine Waffe bei mir.«
Zaifs Hand tauchte wieder auf.
»Spielen Sie Schach?«, fragte er.
»Nein, ich finde Schach fast überirdisch langweilig«, sagte Walter. »Wieso?«
»Weil ich nicht will, dass Sie mit mir Schach spielen. Ich möchte nur, dass Sie mir auf direkte Fragen eine direkte Antwort geben.«
Weder jetzt noch früher hat es je so etwas wie eine direkte Frage gegeben, dachte Walter.
»Ich werde mich bemühen, Ihnen in jeder erdenklichen Weise behilflich zu sein, Sam.«
»Gut, dann gehen wir.«
»Wohin …?«
»Das Klischee lässt mich vor Scham erröten«, sagte Zaif. »Zur Wache.«
»Warum unterhalten wir uns nicht einfach in meiner verhältnismäßig komfortablen Wohnung?«, fragte Walter.
»Die Antwort steckt schon in der Frage, nicht wahr?«, sagte Zaif. Dann fügte er hinzu: »Talmud-Schüler.«
»Habe ich mir schon gedacht.«
Zaif nahm Walters Hut und Mantel vom Kleiderständer und warf sie ihm auf den Schoß.
»Kaffee für Sie, Tee für mich«, sagte Zaif, als er das Papptablett auf den kleinen Metalltisch im Vernehmungszimmer stellte.
Die Tinte an Walters Fingern schmierte auf dem Pappbecher, als er ihn an sich nahm und den zwar heißen, aber sonst scheußlichen Kaffee schlürfte. An einer Wand zischte und knackte ein Heizkörper. Es war unerträglich heiß im Raum – was wohl beabsichtigt ist, dachte Walter –, doch er weigerte sich hartnäckig, seine Krawatte zu lösen, den Hemdkragen aufzuknöpfen oder auch nur die Jacke auszuziehen. Es war schon demütigend genug, so spät am Abend unrasiert und ungeduscht zu sein, und er wollte unbedingt etwas von seiner Würde aufrechterhalten. So blieb er zugeknöpft und schwitzte. Er fand einige Befriedigung darin, dass auch Zaif schwitzte – seine Brille rutschte ihm immer wieder von der Nase –, um des korrekten Aussehens willen aber ebenfalls Ja
cke und Krawatte anbehalten hatte. Außerdem waren seine Ärmel eine Spur zu kurz, wie Walter bemerkte, als der Detective seine großen Hände und die breiten Handgelenke auf den Tisch legte.
»Erzählen Sie mir von Marta Marlund«, sagte Zaif.
»Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, werde ich versuchen, sie zu beantworten«, erwiderte Walter.
Das saß noch seit der Ausbildung. Nicht reden, sondern einem Vernehmer Fragen entlocken. Und den Fragen die Richtung entnehmen, in die der Fragende einen lenken möchte, um diesen dann in eine andere zu führen.
»Na schön«, sagte Zaif. »Wo haben Sie sich kennengelernt?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Wissen Sie doch«, entgegnete Zaif. Er riss behutsam zwei Tütchen Zucker auf, schüttete den Inhalt in seinen Tee mit Milch und rührte um. »Niemand vergisst, wo er eine solche Frau kennengelernt hat.«
»Vielleicht in Paris.«
»Was ist das denn, ein Song-Titel? ›Vielleicht in Paris, vielleicht in Moskau, oder war es Kopenhagen‹?«
»Es hätte auch in Kopenhagen sein können«, gab Walter zu.
»Sie war Dänin, richtig?«
»Ich glaube ja.«
»Sie hätten mal die Witze hören sollen, als wir ihren Pass gefunden hatten«, sagte Zaif. »Verstehen Sie, so etwas wie: ›An so einem Kopenhagener hätte ich auch gern mal geknabbert‹. ›Zum Morgenkaffee würde dir so etwas wohl auch gefallen.‹ Solche Dinge. Wie kommt es also, dass so ein Schmock von Privatschnüffler wie Sie einen Filmstar bumsen kann?«
Jetzt geht's los, dachte Walter.
»Ich würde sie kaum einen Star nennen«, erwiderte er.
Zaif sagte: »Ich habe ein paar ihrer Filme gesehen. Meine
Freundin mag diese Kunstfilme. Ich will Ihnen mal was sagen, die Marlund ist die Art Schickse, von der die meisten Männer träumen. Das Haar, die Augen, die Titten – eine gottverdammte Brunhilde mit Sex-Appeal. Also, wie ist es?«
»Bitte um Vergebung?«
»Wie kommt es, dass so ein Schmock von Privatschnüffler einen Filmstar bumst?«
»Da haben wir drei Fragen, nicht wahr, Sam?«
»Verdammt viel mehr als nur drei, Walter«, sagte Zaif. »Hören Sie auf zu mauern.«
Walter zog seine Zigaretten aus der Jacke, hielt sie Zaif hin und zündete sich dann
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