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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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»Sie fragte mich, ob ich ihr diesen Gefallen tun würde. Es schien mir eine einfache Sache zu sein, und ich wusste nicht, dass du …«
    »Dass ich was?«
    »Dass du in die Sache hineingezogen werden würdest«, erwiderte sie. »Ein schrecklicher Zufall, nicht wahr?«
    Wenn man davon absieht, dass ich an solche Zufälle nicht glaube, dachte Walter, ob sie nun schrecklich sind oder nicht.
    Sie stellte ihr Glas ab, stand auf und nahm ihren Mantel vom Kleiderständer.
    »Wohin gehst du?«, fragte er.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mich noch hier haben willst. Du arbeitest für Keneally«, sagte sie. Sie reckte das Kinn in Richtung Tonbandgerät. »Meinen Glückwunsch. Du hast deine Arbeit getan. Die Geheimnisse sind in Sicherheit, und der Prinz wird König werden.«
    »Glaubst du, dass diese Geschichte vorbei ist?«
    »Ich glaube, dass es mit uns vorbei ist«, entgegnete sie. »Wir stehen einfach auf verschiedenen Seiten, Walter.«
    Sie blieb stehen und wartete darauf, dass er es abstritt.
    Er wollte es, doch sein Mund konnte die Wörter nicht bilden.
    »Du kannst nicht hierbleiben«, bestätigte er. »Aber nicht aus dem Grund, den du vermutest. Nicht weil ich dich jetzt hasse, nicht weil ich für Keneally arbeite, sondern weil sie kommen werden. Die eine Seite oder die andere. Weil sie hinter den Bändern her sind, hinter dir, hinter mir.«
    »Nein«, bestätigte sie. Ein zynisches kleines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Ich kann nicht hierbleiben.«
    »Und nach Hause gehen kannst du auch nicht«, fügte er hinzu.
    Nicht, wenn meine Vermutung stimmt. Wenn es stimmt, werden sie dich jeden Augenblick schnappen, ob die einen oder die anderen.
    »Wirklich nicht, Darling?«, fragte sie. Und dann in gespieltem Entsetzen: »Bin ich in Gefahr?«
    »Marta ist tot.«
    Es verblüffte ihn selbst zu erkennen, wie sehr er es hasste, diesen Ausdruck von Schmerz in ihren Augen zu sehen.
    »Mein Gott«, sagte sie. »Wie?«
    »Der Gerichtsmediziner sagt Selbstmord«, erwiderte er. »Durch die banale Kombination von Schnaps und Pillen.«
    »Sie haben sie getötet«, sagte Anne.
    »Wer?«
    »Die Keneallys.«
    »Warum sagst du das?«
    »Du machst die Dreckarbeit«, sagte sie. »Du solltest es wissen.«
    Ihre grauen Augen füllten sich mit Tränen.
    »Himmel, Walter, du hast doch nicht …?«
    »Sie getötet?«, fragte er. Er schüttelte den Kopf. »Aber danke für die Frage.«
    »Es tut mir leid.«
    »Das sollte es nicht«, sagte er. »Ich würde sagen, angesichts der Umstände war das eine durchaus vernünftige Frage.«
    »Könntest du bitte mit diesen Sticheleien aufhören?«
    »Nein, ich glaube nicht, dass ich das kann.«
    »Die Beherrschung verlieren …«
    Er gluckste. »Das definitiv nicht.«
    »Es ist deine Art Menschen zu bestrafen.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Verdammt, ich hatte einen Grund für das, was ich getan habe!«
    »Das weiß ich!«, rief er zurück. »Ich aber auch!«
    »Meinen kenne ich«, sagte sie. »Was ist deiner?«
    »Ich …«
    »Was?«, fragte sie. »Sag's mir. Sag's mir. Was ist dein Grund, Walter? Was lässt dich weitermachen? Was sorgt dafür, dass du immer mit blitzblank geputzten Schuhen und ordentlich gebundener Krawatte rumläufst und dieses fröhliche, überlegene Lächeln im Gesicht hast? Was ist das Geheimnis? Wie sieht der Traum aus? Was lässt dich nachts schreien?«
    Du, dachte er. Du tust es.
    »Keine Antwort?«
    »Theo wartet unten auf dich«, sagte er.
    »Du denkst wirklich an alles, Walter«, sagte sie. »Du arrangierst sogar meine Fahrt mit der Contessa. Was passiert dann, Walter? Werde ich plötzlich krank, und dann kommt der Arzt nicht?«
    »Ich finde, du solltest bei ihr bleiben, bis …«
    »Bis sie kommen und mich holen?«, fragte sie. »Wer wird es sein? Die Cops? Das FBI ? Keneallys Schläger?«
    »Anne …«
    »Du?«
    »Anne …«
    »Je ne regrette rien«, sagte sie. »Anders als du, teurer Walter, kenne ich meine Motive. Ich weiß, was ein Mensch in dieser Welt tut.«
    »Ich weiß.«
    Als sie in der Tür stand, sagte sie: »Nein, das weißt du nicht. Du hältst dir nur die Nase zu, schnürst deine Schuhe und marschierst los.«
    »Vielleicht ist es das, was ein Mann tut.«
    »Ein Angestellter.«
    Der gute Angestellte.
    Sie warf sich den Schal mit einer bewusst theatralischen Gebärde um den Hals und sagte: »Nun, Rick, wenigstens werden wir immer Paris haben.«
    » Je t'aime «, sagte er.
    Doch da war sie schon aus der Tür.
     
    McGuire schlief natürlich nicht.

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