Manipulationstechniken. So wehren Sie sich. (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
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Max arbeitet in der Marketingabteilung, Moritz in der Vertriebsabteilung. Zwischen beiden herrscht seit einiger Zeit dicke Luft. Sie haben nämlich unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Werbematerialien im Verkauf sinnvoll sind und welche nicht. Das Gespräch geht gleich mit einer Starker-Mann-Taktik los:
Max: „Gleich vorweg: Das Gespräch heute wird bestimmt kein Zuckerschlecken für Sie.“
Moritz: „Schade, aber dann sollten wir uns doch gleich mal unsere Agendapunkte ansehen, damit wir zügig durchkommen. Einverstanden?“
Moritz lässt sich gar nicht auf die Bemerkung ein, er konzentriert sich vielmehr sofort auf die inhaltlichen Anliegen, die er mit Max besprechen möchte. Auf diese Weise geht die Einschüchterungstaktik ins Leere. Das ist der beste Weg, mit dieser Taktik umzugehen: Konzentration auf den sachlichen Rahmen. Die Starker-Mann-Taktik verpufft dann wie heiße Luft.
14. Übung: Die Starker-Mann-Taktik (siehe Lösungsteil)
Wie könnte Hubert aus unserem ersten Beispiel auf die Starker-Mann-Taktik reagieren?
Der Ankereffekt
In der Fernsehquizsendung „Wer wird Millionär?“ gibt es die Möglichkeit, die Antwort auf eine Frage, bei der man sich selbst nicht sicher ist, an das anwesende Publikum zu delegieren. Der Quizteilnehmer wählt dann meistens die Antwort, für die die Mehrheit des Publikums plädiert. Wenn der Kandidat sich dabei jedoch verspricht und im Vorhinein eine Vermutung äußert, welche der angegebenen Möglichkeiten zutreffen könnte, dann ist das Zuschauervotum unbrauchbar. Die Zuschauer sind durch die Vermutung des Kandidaten zusehr beeinflusst. Mit anderen Worten: Der Kandidat hat einen Anker gesetzt.
Beim Ankereffekt binden gegebene Anfangsinformationen Schätzvorgänge oder Meinungen, so dass es häufig zu voreingenommenen Urteilen kommt.
Der Manipulator nutzt diesen Ankereffekt auf folgende Weise: Er startet die Eröffnung eines Gesprächs und setzt gezielt Informationsanker, die den Verlauf des Gesprächs beeinflussen. Zum Beispiel durch das Nennen von Zahlen legt der Manipulator bereits einen bestimmten Bereich fest. Oft tendieren die Ankeropfer dann dazu, sich in Ihrer Meinung den bereits genannten Informationswerten anzupassen. Die Eröffnung bietet häufig die Chance, dass der Gesprächspartner plötzlich seine Ziele ändert. Dazu ein Beispiel:
Beispiel
Im Seminar baten wir (die Autoren) zwei Teams A und B getrennt voneinander, die Einwohnerzahl Vietnams zu schätzen. Dabei haben wir in jeder Gruppe durch eine beiläufige Bemerkung jeweils einen anderen Anker gesetzt: in Team A die Zahl 30 Mio. in Team B die Zahl 120 Mio. Die Folge: Die Schätzungen und das Gruppenergebnis orientierten sich eindeutig am jeweiligen Anker!
Im Grunde kann jede Art von Information als Anker dienen: Die Formulierung des Entscheidungsproblems, der letzte Artikel in der Zeitung, ein bestimmter Trend, von dem man gehört hat; vergangene Verkaufszahlen; Eröffnungsangebote usw. In einem Umfeld schneller Veränderungen bzw. unter Zeitdruck können Anker verhängnisvoll sein, da sie verhindern, nach anderen Informationen zu suchen.
Von manchen Verhandlungsprofis werden Anker ganz bewusst als Manipulationstaktik benutzt. Sie nutzen den Effekt gern beim Eröffnungsangebot. Das können wir in folgendem Beispiel sehen.
Beispiel
Thomas und Anton stecken in schwierigen Verhandlungen. Thomas möchte sofort auf den Punkt kommen und sagt: „O.K. Anton, ich glaube, es macht gar keinen Sinn, wenn wir lange um den heißen Brei herum reden. Ich stelle mir für unsere Maschine einen Preis von 120.000 Euro vor.“
Thomas nutzt die Chance, gleich eine Zahl in den Raum zu werfen. Er weiß, dass dies seine Wirkung nicht verfehlen wird und die Zahl wie ein Anker wirken wird, um die sich die weiteren Verhandlungen vermutlich drehen werden. Der Manipulator nutzt also das Nennen einerZahl oder einer Information ganz bewusst, um den Gesprächspartner entsprechend zu beeinflussen.
Manchmal hört man in Verhandlungsseminaren, man solle nicht mit der Eröffnung starten und erst mal die andere Seite kommen lassen. Das ist aber so nicht richtig. Es hängt davon ab, was ich bezwecke. Wenn ich die Verhandlung gleich in gewisse Bahnen und Richtungen lenken möchte, dann kann es sinnvoll sein, im Zuge der Eröffnung einen Anker zu setzen.
Wir haben im Folgenden einige typischen Situationen zusammengestellt, in denen der Ankereffekt im Alltag vorkommen kann:
Typische Situationen im Alltag, in denen
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