Mann der 1000 Namen
er:
»Da sich gegenwärtig ohnehin eine verhältnismäßig große Expedition auf Mittend aufhält, besteht keine Absicht, in der nahen Zukunft eine weitere zu schicken. Also wirst du einstweilen in deinem Apartment bleiben und von einem monatlichen Scheck leben, den ich dir schicken lasse. Ich nehme an, daß die Presse mit deinem neuen Namen nicht lange zurückhalten wird, also wappne dich dagegen. Möchtest du Mama etwas ausrichten?«
»Sag ihr, diesmal sehe ich schon besser aus, aber immer noch nicht so gut wie ihr ursprüngliches Produkt«, brummte Steven und betrat das Gebäude, ohne sich noch einmal umzublicken.
11.
Eine Erinnerung weckte Steven. Zorn stieg in ihm auf.
Was sagte dieser verdammte Rechtsverdreher? »Der Körper des Steven Masters ... tot oder lebendig ...«
Das war ein Gedanke, den Steven wie viele andere auch, einfach unterdrückt hatte – bis jetzt.
Er schaltete die Nachttischlampe ein und studierte den Kalenderteil des Weckers. Dann begann er zu rechnen.
Es war ein regelrechter Schock. War wirklich soviel Zeit vergangen? Und immer noch befand sich sein Körper mit Mark Bröhm am Ruder als Gefangener auf Mittend. Im Augenblick des Erwachens war sich Steven plötzlich der ganzen unangenehmen Bedeutung dieser Tatsache bewußt geworden.
Doch nun, als er voll wach war, begann die kribbelnde Unruhe nachzulassen. Einem wachen Steven fiel es eben nicht so leicht, sich Sorgen zu machen.
Trotzdem blieb auch nach einer Minute noch eine Spur der Unruhe zurück. Er stand auf und ging zum Wandschrank. Eingehend musterte er das Spiegelbild Daniel Utgers'. Es war gar nicht so schlimm. Nur fünf Jahre älter, dachte er. Damit kann ich leben ...
Er wollte gerade ins Bett zurücksteigen, als er die gespenstische Gestalt in der gegenüberliegenden Ecke entdeckte.
Weil er durch sie hindurchsehen konnte – und das auch sofort bemerkte –, war er nicht übermäßig beunruhigt. Im ersten Augenblick glaubte er sogar an eine Art Spiegelung, die durch weiß Gott was hervorgerufen wurde.
Doch dann sprach der Mann (die Gestalt war zweifellos männlich). »Aus dieser Entfernung und in dieser Schattenform«, ertönte sein Bariton, »kann ich dir nichts anhaben. Aber es interessierte mich, wie diese neueste Version von dir aussieht.«
Beim ersten Klang der Stimme war Steven ein wenig zusammengezuckt, sonst hatte er sich jedoch absolut nicht gerührt. Er war nicht so leicht zu beeindrucken. Im College hatte man dreidimensionale Laserfilme und auch -Fernsehen gezeigt. Das hier war so ähnlich. Also wartete er ab und fragte sich lediglich, wer dahintersteckte. Als ihm dieser Gedanke kam – daß ihm jemand einen solchen Streich spielte –, wurde er plötzlich wütend, aber eine Spur von Furcht quälte ihn ebenfalls.
Er erinnerte sich, daß er den Browning ins Bett mitgenommen hatte. Er mußte noch unter dem Kopfkissen stecken. Vorsichtig schritt er darauf zu. Der geisterhafte Eindringling hinderte ihn nicht daran.
Steven schlüpfte die Hand unter das Kissen und zog die Pistole hervor.
Der Mann beobachtete ihn nur.
Mit beiden Händen entsicherte Steven die Waffe.
Die durchsichtige Erscheinung lächelte. Der Mann war verhältnismäßig groß, gut gewachsen und etwa vierzig Jahre alt. »Aha, das ist also die Art von Waffe, derer du dich bedienst, wenn du nicht mehr weiterweißt.«
Steven stellte sich neben das Bett und legte den Browning an. »Wer sind Sie?« fragte er wild.
Das Lächeln wurde breiter. »Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Im Grund genommen bin ich ein Fremder in diesem Teil des Universums, aber ich denke, man könnte wohl sagen, ich bin auf Mittend zu Hause. Ich half mit, den Planeten einer eigenartigen Sekte wegzunehmen, deren Anhänger ein solches Maß an Lauterkeit erreicht hatten, daß sie nicht einmal mehr einem schädlichen Insekt Leid zuzufügen vermochten. In den vergangenen Jahren kamen sie jedoch zu dem Entschluß, daß sie die Kunst des Tötens in der Selbstverteidigung wiedererlernen müssen, aber sie wissen ganz einfach nicht, wie sich das bewerkstelligen läßt.«
Steven, der immer nur ganz kurz von irgend etwas interessiert war und sich ohnehin nie die Mühe machte, Erklärungen anzuhören, brummte: »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie sprechen.«
Aber er senkte seine Waffe ein wenig.
»Na schön.« Der Mann lächelte. »Ich werde es in simple Worte kleiden. Als du zum erstenmal auf Mittend landest, sah die aus vielen Einzelwesen
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