Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
heraufzubeschwören. Die Götter haben mich schon genug bestraft, auch ohne, dass ich sie herausfordere.” Hope wusste, er sprach von seiner Familie, aber ging nicht darauf ein, um zu verhindern, dass die Erinnerung an seine tote Frau die Stimmung zwischen ihnen zerstörte.
“Du glaubst an mehrere Götter?”, fragte sie statt dessen und klang beinahe entrüstet. “Das ist heidnisch!”
“Glaubst du etwa nur an einen?”, gab Gabriel schmunzelnd zurück. “Ziemlich ärmlich.”
“Aber es gibt doch nur einen”, erwiderte Hope im Brustton der Überzeugung. “Das steht schon in der Bibel.”
Gabriel grinste. “In einer Bibel, die von Menschen geschrieben wurde, Hope. Auch mir haben sie in der Missionsschule versucht, meinen Aberglauben, wie sie es nannten, auszutreiben. Es gibt nur einen Gott, haben sie gesagt, der alle Menschen auf der Welt wie seine Kinder liebt.” Er wurde ernst. “Aber warum liebt dieser Gott dann den weißen Mann mehr als den roten? Warum sollen meine roten Brüder zu einem Gott beten, der sie so offensichtlich im Stich lässt?” Er schüttelte den Kopf. “Nein, Hope. Die Völker der wahren Menschen haben schon lange, bevor sie von dem weißen Gott gehört haben, zu ihren eigenen Göttern und Geistern gebetet. Ich kann nicht sagen, wer Recht hat, ob die Weißen oder die Völker des Roten Mannes, aber das ist auch nicht wichtig.” Nachdenklich betrachtete er den schlichten, völlig schmucklosen Medizinbeutel. “Ich trage ihn immer. Vielleicht dient er nur dazu, mich an meine indianischen Wurzeln zu erinnern, aber vielleicht bietet er mir auch den Schutz der Götter meiner Kindheit.” Er sah sie an. “Ich glaube, selbst mein Bruder bewahrt seine Medizin noch irgendwo auf, auch wenn er schon lange behauptet, nicht mehr daran zu glauben.”
“Dein Bruder?”
“Rafael, mein Zwillingsbruder. Während ich beim Volk meiner Mutter blieb, wählte er den Pfad des weißen Mannes und wurde Soldat. Er kämpfte im Bürgerkrieg. Jetzt lebt er mit seiner Frau auf einer Ranch in den Bergen von Montana. Ich glaube, du würdest ihn mögen.” Plötzlich starrte er sie an, als würde ihm etwas Unglaubliches in den Sinn kommen, dann schlug er sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
“Wieso habe ich daran nicht früher gedacht?” Seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. “Weißt du noch, dass du behauptet hast, wir wären uns schon einmal begegnet?”
Hope nickte zögernd.
“Das war nicht ich, sondern Rafe. Er war vor zwei Jahren in Silver Springs, natürlich. Er hat Emily, seine Frau, zu ihrem Verlobten gebracht.”
“Er hat seine Frau zu ihrem Verlobten gebracht?”, fragte Hope zweifelnd. “Also ist dein Bruder ein wenig seltsam.”
“Damals war sie noch nicht seine Frau. Sie war entführt worden, und Emilys damaliger Verlobter hatte Rafe angeheuert, um sie aus der Hand von Indianern zu befreien. Wie sich herausstellte, war ihr Verlobter alles andere als ein Ehrenmann…” Er verstummte und überlegte, wie viel er Hope von den Ereignissen erzählen sollte.
“Doch nicht etwa der Besitzer des French Emporium , der seine Verlobte als Hure angeboten hat?”
Gabriels Kopf ruckte herum. “Du weißt davon?”
Hope errötete leicht. “Nun ja, du darfst nicht vergessen: ich arbeitete in einem Saloon”, gab sie zu bedenken. “Die Nachricht machte die Runde wie ein Lauffeuer. Ich hätte taub sein müssen, um nichts davon mitzubekommen. Ich habe gehört, dass jemand die Frau gerettet hat.”
“Ja, das war Rafael. Inzwischen sind die beiden verheiratet und haben eine süße, kleine Tochter, Lily.”
Schmerzhaft zog sich Hopes Herz bei dem Gedanken zusammen. Deshalb also war ihr Traummann niemals zurückgekehrt. Er hatte eine andere geheiratet und sich an die unscheinbare Hope wahrscheinlich nicht einmal mehr erinnert. Aber, so stellte Hope überrascht fest, das war es gar nicht, was sie bedrückte. Der Mann von damals war eine Traumgestalt gewesen, mehr nicht. Die Erinnerung an ihn hatte ihr über vieles hinweg geholfen, aber sie hatte niemals ernsthaft damit gerechnet, ihn wieder zu sehen. Nein, was schmerzte, war die Vorstellung, vielleicht niemals eine eigene Familie zu haben, ein Kind, das sie umsorgen konnte und einen Mann, der sie aufrichtig und um ihrer selbst willen liebte. Der stets bei ihr war... Davon hatte sie immer geträumt.
Sie blickte Gabriel an. Sie liebte ihn, aber schon bald würde er sie verlassen. Sie würde ihn verlieren, denn mit Beginn des
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