Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
Vom Netzwerk:
bekämpfte
und zugleich bewunderte? »Mama hat alle Situationen bisher gemeistert. Sie wird
auch diese meistern. Sie hat mehr Kraft im kleinen Finger als mancher Mann in
der ganzen Hand.«
    »Vielleicht.« Er betrachtete
Jeannettes Tochter nachdenklich. Ich werde mit ihr fertig werden und letzten
Endes wunderbar mit ihr stehen, dachte er. Ich bin mit Goggi auch fertig
geworden. Es ist mein Schicksal, Vater von problematischen Mädchen zu werden,
die gar nicht meine Töchter sind. »Es tut mir leid, aber ich muß mich beeilen.«
Er wischte sich den Mund mit der Serviette, stand auf und entfernte sich mit
einem wohlwollenden Kopfnicken von der Tischgemeinschaft. Blendender Abgang! Er
kam sich wie ein Artist nach einem geglückten Salto mortale vor. Orchester,
bitte einen Tusch!
    Als er das Haus durchschritt,
hörte er durch die offene Verandatür, wie hinter ihm die Stimmen der jungen
Leute wie auf Verabredung wieder einsetzten, aber er verstand nicht, was sie
sagten. Er wollte es auch gar nicht verstehen. Durch den rückwärtigen Ausgang
erreichte er die schilfgedeckte Garage, in der sein Wagen stand. Er sprang
hinein und hielt die Tür für Jacky auf. »Los, alter Freund, bißchen plötzlich!«
    Zehn Minuten später hielt er
vor dem blitzsauberen Hotel und führte mit Hilfe des Schweizer Besitzers ein
langes Gespräch mit Madrid.
    Dann zog er seine Uhr zu Rate.
Wenn er sich beeilte und nichts dazwischenkam, würde er es noch schaffen. Er
mußte unverzüglich nach Valencia, um dort noch ein spätes Flugzeug nach Madrid
zu erreichen.
    In einer halsbrecherischen
Fahrt steuerte er den Wagen zurück zum Haus. Juanita säuberte im Hof einen
Tintenfisch. Sie schleuderte ihn in einem gleichmäßigen Rhythmus mit Wucht
gegen einen Stein, um die schwarze Flüssigkeit aus ihm herauszupeitschen.
Ronald parkte den Wagen und stürmte in sein Zimmer. Er riß den Koffer vom
Schrank und warf ein paar Dinge hinein. Jacky hatte sich auf der Strohmatte vor
dem Bett postiert. Er sah Ronald mit schiefgelegtem Kopf zu, vibrierend wie
immer, wenn er einen Aufbruch witterte. Werden wir eine schöne Reise machen,
Herr? Mit Höchstgeschwindigkeit? Und Kalbsknochen aus der Hotelküche? Und
Katzen, die wir auf Bäume jagen?
    »Schöne Reise, jawohl.« Ronald
steckte sich seine zweite Zigarette an. Die erste hatte er verlegt. »Mit
Höchstgeschwindigkeit. Aber du bist leider nicht dabei, alter Freund.« Er
vermied es, den Hund anzusehen. Wo war denn die verdammte erste Zigarette
hingekommen? Sie würde wohl irgendwo im Bett schmoren und das Haus in Brand
stecken. Ruhe, Ruhe, Ronald Gutting, du benimmst dich wie ein jugendlicher
Narr. Wirf die Sachen nicht so herum, stoß nicht mit dem Fuß nach Stühlen, laß
nicht alles fallen, was du in die Hand nimmst, und zittere nicht, wenn du dir
die Socken anziehst.
    Das Wasser, mit dem er sich den
Puls zu kühlen suchte, floß in einem lahmen, dünnen Strahl aus der Leitung. Er
glättete sich das Haar mit den feuchten Händen und zog ein frisches Hemd an.
    In diesem Augenblick stürmte
Goggi ins Zimmer. »Wo warst du denn, Papa? Du fährst einfach auf und davon und
läßt uns mit deiner neuen Freundin allein.«
    »Sie ist nicht meine neue
Freundin. Sie ist die Tochter meiner ältesten Freundin.« Er kam näher und hielt
ihr seine Hände hin, von denen noch das Wasser tropfte. »Würdest du so nett
sein und deinem alten Vater die Manschettenknöpfe zuknöpfen?«
    Goggi tat es schweigend. Dann
ließ sie sich aufs Bett neben den geöffneten Koffer sinken und betrachtete
ihren Vater abschätzend. Ronald kannte diese zermürbende Taktik, die Taktik der
jungen Menschen, die einfach die besseren Nerven hatten.
    »Du weißt ganz genau, daß Ihr
Nico Zwo getrost Angelikas Obhut überlassen könnt. Wenn es dich beruhigt, laß
doch einfach Paul kommen«, begann er und redete sehr schnell, als könnte er
dadurch Goggis Verärgerung, die sich auf ihrem Gesicht abzeichnete,
zuvorkommen. »Überlaß mir nur den ganzen Kram von Dispositionen. Ich werde
alles bestens organisieren.«
    Goggi legte ein Bein übers
andere und ließ ihre lackierten Zehen spielen. »Du machst Spaß, Papa, nicht
wahr?«
    Er wandte sich ihr zu, eine
kurze Unterhose in der Hand schwenkend. »Im Gegenteil, ich mache Ernst.«
    Sie lächelte ungläubig. »Du
wirst mir doch nicht diesen dummen Streich spielen? In deinem Alter, Papa, ich
bitte dich.«
    Das hätte sie nicht sagen
sollen. Ronald stopfte seine leichten Pantoffeln und die Unterhose

Weitere Kostenlose Bücher