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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Fall unser Präsident ganz sicher. Deinen Abgang wird er dir nie verzeihen. Aber abgesehen davon, Morde haben fast immer einfache Gründe, und die Ursachen liegen zeitlich dicht vor der Tat. Es sei denn, es geht um Familien, da können sich Hass und Verzweiflung über viele Jahre aufbauen. In unserem Fall geht es nicht um einen Familienkrach, sondern um einen Irren, der sich vorgenommen hat, die Familie eines Maklers auszurotten. Und es geht um einen ehemaligen Makler, einen alten Mann, der mit einem zerschossenen Kopf am Schreibtisch saß. Vielleicht haben Enheim und Holler auch gemeinsam einen über den Tisch gezogen, oder einer sieht sich als ihr Opfer, was auch immer? Du kannst das nicht wissen, die Ursachen von Kapitalverbrechen sind Eifersucht, Neid, Erpressung und Geld. Die Geschichte kommt darin nicht vor.«
    »Wenn du meinst«, sagte Stachelmann und trennte die Verbindung. Er war die Belehrung leid.
    Der Parkplatz war fast voll. Deutschland fuhr in Urlaub. Kinder tobten zwischen den Autos herum, Hunde wurden an die Böschung geführt, die den Parkplatz vom Wald trennte. Von der Autobahn her dröhnte der Verkehr.
    Stachelmann spürte, er war der Sache näher als die Polizei. Sie wollten seine Hilfe nicht. Er lachte leise vor sich hin. Der Polizeipräsident war ein karrieregeiler Idiot und seine Untergebenen Ochsen. Mal sehen, wer die Morde aufklärt, mal sehen. Es gab eine Gruppe von SS-Männern in Hamburg, die sich an Judeneigentum bereichert hatten. Es wunderte Stachelmann nicht mehr, dass die Namen der Makler, die Ossi genannt hatte, auch in den Aktenkopien standen. Es war Streit ausgebrochen zwischen der SS-Mafia und der Finanzbehörde. In dem Streit wandten sich die SS-Leute an Pohl, und der holte sich Rückendeckung bei Himmler. Es ging ja nicht an, dass eine Finanzbehörde die Mitstreiter des Reichsführers behelligte und beim Hauptamt SS-Gericht anschwärzte. Soweit schien der Fall klar. Daraus ließen sich Konstellationen ableiten. Warum musste Norbert Enheim sterben? Er war der Sohn eines Goldfasans, der Vater gehörte nicht zur SS, sondern war Wirtschaftsfunktionär der Partei. Stachelmann merkte, wie wenig er wusste. Was er erfuhr und erriet, vergrößerte nur die Zahl seiner Fragen. Je tiefer er sich in die Sache hineinwühlte, desto tiefer versank er im Chaos. Sein Hochgefühl verwandelte sich in Niedergeschlagenheit.
    Das Handy klingelte.
    »Wie geht es dir?« Es war Anne.
    Was sollte er antworten? Er begriff nicht, wie es ihm ging.
    Vorhin war er obenauf, nun war er unten. »Es geht«, sagte er.
    »Wo bist du?«
    Auf der Flucht vor meinem Mörder. Auf der Suche nach Wahrheit. »Ich stehe auf einem Autobahnparkplatz und mache eine Pause. Nachher fahre ich weiter nach Weimar.«
    »Ist viel los auf der Autobahn?«
    »Ja, aber ich werde schon ankommen.«
    »Hat die Recherche in Berlin etwas gebracht?«
    Eigentlich weiß ich schon alles über meine Habilitation. Ich scheitere an ihr, nicht weil Material fehlt, sondern weil ich nicht tauge zum Historiker. Seit ich in Berlin war, sind seltsame Dinge passiert. Was wäre geschehen, wenn Anne mitgekommen wäre? »Ja und nein. Zu meinem Thema habe ich nichts wirklich Neues gefunden. Aber ich habe anderes entdeckt. Etwas, was vielleicht mit diesen Morden in Hamburg zu tun hat.«
    »Es lässt dich nicht los. Findest du nicht, die Polizei ist dafür da, Mörder zu fangen. Wir Historiker fangen keine Mörder, es sei denn, sie sind lange tot.«
    Stachelmann mühte sich, er wollte lachen. Wie über einen guten Witz. Stattdessen fragte er: »Was macht der Kongress? Fängt der nicht am Wochenende an?«
    »Ja, Bohming sagt, ich soll ihn begleiten. Aber eigentlich ist alle Arbeit getan. Er wird ein grandioses Referat halten, alle Fragen stellen und keine beantworten. Sich engagieren, aber sich nicht festlegen. Er wird den Überlegenen geben, der die Metaphysik allen wissenschaftlichen Streits verkörpert, der Hegel des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Der den Widerspruch nicht löst, weil er ihn für nötig hält.«
    »Und diesen ganzen Quatsch hast du ihm aufschreiben müssen?«
    »Er hat sich schon beteiligt, vor allem mit sagenhaften Direktiven. Da kann man als Historikerazubi richtig was lernen.« Sie lachte. »Aber lenk nicht ab, was treibst du in den Archiven, wenn du nicht zu deiner Habil forschst?«
    »Ich bin auf Namen gestoßen, die in Verbindung stehen zu den Holler-Morden. Zum Beispiel auf einen SA-Heini namens Robert Enheim.«
    »Der ermordete

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