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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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umgekippt sein könnte. Aber er stand auf den Rädern, Kohn sah es im Mondlicht. Kohn blickte sich noch einmal um. Dann machte er sich auf den Weg zur S-Bahn.

XV
    »Wo sind die Akten?«, fragte Stachelmann.
    »Welche Akten?«, fragte Anne.
    »Die ich aus Berlin mitgebracht habe.«
    »Die hast du doch eingesteckt.«
    »Kann sein. Ich habe überall nachgesehen, nichts.«
    »Ich weiß es nicht. Ob sie dir im Auto aus der Tasche gerutscht sind?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Akten in die Hosentasche stecke. In der Jacke habe ich schon nachgeguckt.« Er schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Verdammt, ich habe sie bei Ammann liegen gelassen.«
    »Ist doch egal. Kannst ja nach dem Frühstück die aus deinem Dienstzimmer holen und noch mal auf den Kopierer legen.«
    Stachelmann streckte sich.
    »Du hast schlecht geschlafen«, sagte sie.
    Er nickte.
    »Du bist grau im Gesicht.«
    Die Nacht war furchtbar gewesen. Stachelmann bereitete es oft Qualen, auf fremden Betten zu liegen. Annes Sofa hatte sich in dieser Nacht in ein Foltergerät verwandelt.
    »Heute Nacht schläfst du in meinem Bett und ich auf dem Sofa.« Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch.
    »Aye, aye, Käpt’n!«
    Er konnte kaum sitzen vor Rückenschmerzen, fast alle Gelenke taten weh. Jede Bewegung erzeugte einen Stich. Er aß ein Brot mit Himbeermarmelade und ging dann zu seiner Jacke, die im Flur an der Garderobe hing. Er suchte in allen Taschen, fand aber seine Schmerztabletten nicht. Er leerte seine Aktentasche auf den Boden, zwischen Papieren lagen leere Tablettenstreifen. Die Brustwirbel verengten sich, jeder Atemzug schien den Oberkörper zu sprengen. Wenn er einatmete, glaubte er, seine Rippengelenke gegen ein Nagelbrett zu stoßen. Es schnürte ihn ein, als stünde jemand hinter ihm, der das Schmerzkorsett um seinen Oberkörper kraftvoll zuzog. Er legte sich auf den Fußboden. Er schwitzte.
    Anne erschrak. »Was ist mit dir?« Sie kniete sich zu ihm.
    »Geht vorbei«, sagte er.
    Sie schaute ihn erstaunt an. »Willst du dich nicht lieber in mein Bett legen.«
    »Nichts lieber als das.« Er mühte sich zu grinsen. Er stand vorsichtig auf und ging in ihr Schlafzimmer.
    Sie setzte sich an die Bettkante. »Soll ich einen Arzt holen?«
    »Nein, aber mein Handy bitte.«
    Sie kam mit ihrem tragbaren Telefon zurück.
    »Bring bitte mein Handy, ich habe die Nummer von meinem Arzt gespeichert. Es ist in der Jackeninnentasche.«
    Sie hob die Augenbrauen und holte das Handy.
    Stachelmann wählte die gespeicherte Nummer seines Rheumatologen. Er hatte Glück und kriegte den Arzt gleich ans Telefon. Er bat um ein Rezept über Indometacin, er solle es per Kurier an Annes Adresse schicken.
    Nachdem er aufgelegt hatte, sagte Anne: »Ich hätte es auch holen können.«
    »Ja, ich will nicht, dass andere für mich laufen. Ich tue es auch nicht.« Er sagte es schroffer, als er es wollte.
    Sie zuckte zusammen. »Aber möglicherweise kannst du es dir verzeihen, wenn ich mit dem Rezept zur Apotheke gehe.«
    »Entschuldige«, sagte er und nahm ihre Hand.
    Sie zog ihre Hand weg und legte sie aufs Knie. »Und wie nennt sich die Krankheit? Was ist das für ein Mittel? Wenn du die Fragen nicht für aufdringlich hältst.«
    »Arthritis«, sagte er. »Meine fängt im Rücken an, und wenn sie schlecht gelaunt ist, greift sie sich auch die anderen Gelenke und diverse Innereien.«
    »Also Rheuma. Meine Oma hatte das auch.«
    »Deine Oma hatte mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit Arthrose, die erstens furchtbar weh tut, zweitens Gelenkverschleiß darstellt und drittens im Volksmund Rheuma genannt wird, obwohl sie viertens mit Arthritis nichts zu tun hat. Arthritis ist keine Gelenkabnutzung, sondern eine Autoimmunkrankheit. Die Gelenke sind nicht verschlissen, sondern entzündet. Das Immunsystem beschließt, deine Gelenke gehören nicht zu dir, sind Fremdkörper, die es bekämpfen muss. Genau das ist es, was im Augenblick stattfindet.«
    »Du bist nicht nur wegen der Schmerzen genervt.«
    »Nein, weil ich keine Lust habe, darüber zu reden, weil ich es trotzdem manchmal muss und weil es dann keiner kapiert.«
    Sie nahm seine Hand. »Ein bisschen habe ich schon verstanden.«
    »Schön«, sagte er. Der Schmerz griff über die Hüftgelenke nach Knien und Knöcheln.
    »Wie lange hast du das schon?«
    »Vielleicht fünfzehn Jahre.«
    »Und es ist nicht heilbar?«
    »Nein, aber manchmal wird es besser. Genauer gesagt, die Schübe hören für ein paar Jahre

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