Mann Ohne Makel
Stachelmann ein Wort herausgebracht hatte. Ihm blieb nur zu nicken.
Dann fragte er: »Und das hast du zusammen mit dieser Skizze in der Wohnung deiner Kollegin gefunden?«
Ossi nickte. »Zusammen in einer Mappe.«
»Habt ihr einmal den Stammbaum der Hollers durchleuchtet?«
»Sind gerade dabei.«
»Was weiß man über die Familie?«
»Nur Glorreiches.« Er berichtete von seinem Essen mit Holler. »Und wenn ich schon mal dabei bin, Dienstgeheimnisse zu verletzen, kommt es auf eines mehr nicht an. Wir prüfen gerade seine Bücher.«
»Habt ihr doch eine Spur?«
»Wir stochern wild herum, versuchen irgendwo ein Ende zu finden, an dem wir ziehen können, und hoffen, dass was anderes dranhängt als ein toter Hering. Holler sagt, er habe keine Feinde. Aber wer rottet dann seine Familie aus? Es könnte doch sein, er hat einen Konkurrenten oder Geschäftspartner ruiniert. Vielleicht ohne Absicht. Woher kommt so viel Hass?«
»Es könnte doch auch ein Verrückter sein«, sagte Anne.
»Der ist vielleicht neidisch.«
Ossi nickte. »Kann sein«, sagte er. »Unser Psychologe vertritt diese Theorie auch. Aber fang mal einen Verrückten, der keinerlei Verbindung mit seinem Opfer hat und keine Fehler macht.«
Anne stand auf und ging in Richtung Toilette.
Ossi grinste Stachelmann an. »Da hast du dir ja eine ausgesucht.«
Stachelmann verstand nicht, was Ossi meinte. Er zuckte mit den Achseln.
»Dann ist sie noch zu haben?«, sagte Ossi.
Stachelmann spürte Eifersucht.
Anne kam zurück.
Ossi wandte sich ihr zu, drehte Stachelmann halb den Rücken entgegen. Stachelmann merkte, wie Ossi sich mühte, Anne in ein Zwiegespräch zu verwickeln. Er hörte mit halbem Ohr zu. Ossi erzählte von ihrer wilden Zeit in Heidelberg. Es klang angeberisch.
Ossi wurde lauter: »Einmal habe ich ihn retten müssen. Da hat er mal wieder geträumt, und schon stand er mitten in einem Pulk von Ultrarechten. Am Tag davor hatte er auf einer Uni-Vollversammlung mal wieder gegen die gewettert, und die hatten das mitgekriegt. Ich rein in den Pulk, Jossi am Arm gepackt und in die Mensa gezogen.
Die Ultras konnten gar nicht so schnell denken, wie das passiert ist. Das ist ja überhaupt so, wären die meisten Rechten nicht gehirnamputiert, sie hätten schon längst die Macht im Staat.«
Die Schwarze brachte die Getränke. Ossi trank seinen Doppelkorn in einem Zug aus. »Noch einen«, sagte er.
Anne wandte sich an Stachelmann: »So so, Jossi, warst ja ein richtiger Held.«
Stachelmann sagte: »Gewöhn dir den Namen gar nicht erst an, sonst bin ich ab sofort der Dr. Stachelmann für dich.«
»Jawohl, Herr Doktor.«
Der Spielautomat dödelte.
Die Schwarze brachte das Essen. Ossi bestellte noch ein Bier und einen Doppelkorn. Dann lehnte er sich zurück und fragte: »Was könnten die Totenkopfverbände mit der Sache zu tun haben? Überlegt doch mal. Dafür habe ich euch schließlich studieren lassen.«
»Saß der alte Holler im KZ?«, fragte Stachelmann.
»Keine Ahnung«, sagte Ossi.
»Dann überprüf das mal. Vielleicht ist da noch eine Rechnung aus dem KZ offen.«
»Ich versteh nur Bahnhof«, sagte Anne. »Wenn da noch eine Rechnung aus einem KZ offen ist, warum rottet dann einer die Familie vom Filius aus? Das ist doch Quark.«
»Quark ist gut«, erwiderte Ossi. »Ich arbeite in einem milchverarbeitenden Gewerbe. Was ich denke, ist Quark. Was ich tu, ist Käse. Aber am Ende kommt manchmal sogar Sahne dabei heraus. Zumindest in schwierigen Fällen. Meistens ist das einfach. Mann erschlägt Frau, Frau ersticht Mann, wegen Suff, Eifersucht, Geldmangel oder was auch immer. Du siehst die Leiche, und ein paar Minuten später weißt du, wer es war. Dann gibt’s die Oberschlauen, die den perfekten Mord begehen, aber einen Fehler machen oder gleich ein paar. Spätestens seit wir mit DNS-Analysen arbeiten, haben wir diese Genies schnell am Wickel. Am meisten Schwierigkeiten machen Zufallsmorde. Der Mörder hat das Opfer nur gesehen, als er es umbrachte. Dann stellt euch vor, er kommt aus einer anderen Stadt und hat keine brauchbaren Spuren hinterlassen außer vielleicht einem Haar. Sollen wir nun zig Millionen Deutschen ein Haar ausreißen? Es geht nicht.« Er schaute fast nur Anne an, während er sprach. Stachelmann war sich sicher, Ossi hätte diesen Vortrag nicht gehalten, hätte Anne nicht am Tisch gesessen.
»Aber so einen Fall wie unseren hat es wohl noch nie gegeben. Jedenfalls nicht in Deutschland. Und da ist jeder Quark und jeder Käse
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