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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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den Telefonhörer und wählte die Nummer auf dem Zettel. Eine Frau hob ab und sagte, sie werde ihn mit Dr. Möller verbinden. Es dauerte einige Minuten, bis sich Dr. Möller meldete.
    »Sie sind Dr. Josef Maria Stachelmann?«, fragte Möller. Stachelmann hatte sich mit seinem Namen gemeldet, er wiederholte ihn.
    »Ich muss Sie das fragen, weil meine Patientin mir erlaubt hat, Sie über ihren Zustand zu unterrichten.«
    »Welcher Zustand?«, fragte Stachelmann.
    »Es geht ihr körperlich gut. Psychisch nicht, sie hat versucht Suizid zu begehen.«
    »Was, bitte?«
    »Selbstmord«, sagte Möller. »Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben, kommen Sie doch mal vorbei in der Psychiatrie. Ich würde gerne mit Ihnen sprechen. Es ist wichtig, glaube ich.«
    »Jetzt gleich?«
    »Das wäre gut.«
    Stachelmann rief ein Taxi. Es brauchte keine zehn Minuten zum Krankenhaus. Er fand im Labyrinth der Betonbauten die Psychiatrie und fragte an der Pforte nach Dr. Möller. Der Pförtner erklärte ihm den Weg. Stachelmann fand das Zimmer gleich. An der Tür des Zimmers 35 stand »Oberarzt«. Stachelmann klopfte leise. Eine kräftige Stimme rief: »Herein!« Die Stimme passte nicht zum Körper. Möller war klein und drahtig, hinter einer runden Brille mit dicken Gläsern quollen schwarze Pupillen hervor. Er hatte fast schon eine Glatze, und doch schätzte ihn Stachelmann auf nicht älter als fünfunddreißig. Wieder einer, der in seinem Leben mehr erreicht hatte als er.
    Dr. Möller bot ihm einen Stuhl an. Er kratzte sich am Kinn und sagte: »Vielleicht können Sie mir weiterhelfen?«
    »Ich fürchte, eher nicht«, sagte Stachelmann. »Was ist passiert?«
    »Sie hat versucht, sich zu ersticken. Das Ende eines Schlauchs in den Auspuff, das andere ins Auto, alle Fenster zu, und den Motor laufen lassen. Das sieht man ja hin und wieder im Kino. Ist nicht schwer und tut nicht weh.«
    Möller sprach gleichförmig, es klang teilnahmslos.
    »Aber es hat nicht geklappt«, sagte Stachelmann.
    »Das konnte nicht funktionieren. Frau Weitbrecht hat ein modernes Auto. So ein Katalysator filtert eine Menge Gift aus den Abgasen, Kohlenmonoxid zum Beispiel. Die heutigen Autos reichen zwar, um es schön warm zu machen auf Mutter Erde, aber Leute, die sich auf einigermaßen bequeme Weise umbringen wollen, sollten sich Oldtimer zulegen. Damit klappt es noch.«
    Stachelmann schwieg. Er hatte das Gefühl, er sollte etwas sagen: »Und wie ging es aus?« Eine blöde Frage, dachte er.
    »Sie saß in ihrem Auto und hat sich, Entschuldigung, voll gekotzt. Autoabgase sind keine Luftkur. Sie stand mit ihrem Auto auf einem Parkplatz, an der B 75, in der Nähe von Reinfeld. Zwei Handwerker haben sie gefunden. Die kamen von einem Noteinsatz wegen einer Rohrverstopfung. Einer musste mal austreten, und der hat das Auto mit laufendem Motor und Schlauch gesehen.«
    »Wann?«
    »Gestern Abend.«
    Dann hatte sie sich den ganzen Tag in Lübeck oder wenigstens in der Nähe aufgehalten. »Und was habe ich damit zu tun?«
    »Das wissen nur Sie und Frau Weitbrecht«, sagte Möller. Er schaute Stachelmann in die Augen, als wollte er sagen: Du wirst schon wissen, was du mit ihr angestellt hast. »Sie spricht dauernd von Ihnen. Sagt, Sie hätten sie verraten oder sitzen lassen.
    Waren Sie mit ihr befreundet?« Möllers Blick war misstrauisch.
    »Nein, sie ist in meinem Proseminar, das ist alles.«
    »Aha«, sagte Möller.
    Stachelmann wurde wütend. Der Mann glaubte, er habe etwas gepflegt, was Juristen als Verkehr mit Abhängigen oder so ähnlich verurteilten. Und er sollte nun auch noch verantwortlich sein für die Wahnsinnstat einer Hysterikerin, die ihm nachstellte. Er war das Opfer, nicht sie. Was konnte er dafür, dass sie verrückt war? Er hatte ihr keine Hoffnungen gemacht. Er hatte sie beim ersten Anzeichen ihres Wahns zurückgewiesen. Er hatte bei ihrem letzten Anruf aufgelegt. Man konnte einem Menschen nicht deutlicher sagen, dass man nichts mit ihm zu tun haben wollte. Jedenfalls nicht das, was offenbar in Alicias Kopf herumspukte. Wenn am Fachbereich irgendetwas zirkulieren würde über ein Verhältnis zwischen Stachelmann und Alicia, stand er am Abgrund. Ein Selbsttötungsversuch war ein Argument gegen ihn. Er spürte, Möller betrachtete ihn aufmerksam.
    »Ach, wissen Sie, das gibt es immer wieder. Da steigern sich Frauen in etwas hinein, glauben schon fast, Sie hätten ein Liebesverhältnis mit einem Mann, und wenn sich die Wahrheit herausstellt, dann ist die

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