Mann Ohne Makel
Funkgeräte und Handys aus und erreicht seine Mitarbeiter trotzdem nicht.«
Taut antwortete nicht. Er holte sich einen Stuhl und setzte sich neben Ossi.
»Wir reden gerade über die Fälle Holler und Kreimeier. Sie kommen nicht voran, Herr Taut. Warum?«
Taut und Ossi schauten sich kurz an.
»Wir haben eigentlich nichts in der Hand«, sagte Taut.
»Eigentlich, was heißt eigentlich?«
»Nichts Handfestes. Aber ein paar Unstimmigkeiten bei Herrn Holler.« »Dessen Familie immerhin das Opfer eines Serienmörders ist.«
»Nicht einmal das wissen wir.«
Der Präsident lehnte sich nach hinten. »Wir können doch den Leuten nicht sagen: Hier läuft einer rum und bringt Frau und Kinder eines angesehenen Bürgers dieser Stadt um, und die Polizei weiß nichts und tut nichts. Mir laufen die Pressetypen seit Tagen die Bude ein. Ich soll endlich eine Pressekonferenz machen, damit sie uns danach noch besser schlachten können. Ich kann mich dem nicht ewig entziehen. Herr Taut, ich erwarte ja gar nicht, dass Sie mir morgen gleich den Mörder liefern, aber ich möchte doch gern mitteilen, dass wir wichtige Spuren verfolgen.«
»Die Spur Holler ist doch gut.« Als Stachelmann die Mienen der anderen sah, wusste er, er hätte besser geschwiegen.
»Herr Dr. Stachelmann, Sie meinen, ich soll vor die Presse treten und sagen: Wir haben zwar keinen Mörder, aber über das Opfer, und Holler ist ein Opfer, über das können wir dies und jenes Abträgliche vermuten.« Der Präsident schüttelte den Kopf.
Stachelmann berührten die Ausbrüche des Präsidenten nicht. Er konnte jederzeit aufstehen und gehen. Er empfand sich als Zuschauer in einem Theaterstück. »Ich glaube, Hollers Vater hat keine Polizeiarbeit gemacht, jedenfalls nicht in Russland. Womöglich gehörte er zu den Polizeibataillonen, die in Russland Juden und Bolschewiken ermordet haben.«
Taut und Ossi schauten ihn erstaunt an.
Der Präsident schnaubte. »Das wird ja immer doller. Der Vater des Opfers ist also ein Massenmörder.«
»Das wäre möglich«, sagte Stachelmann.
»Und das soll ich der Presse erzählen?«
»Nein«, sagte Stachelmann, »aber ich würde dieser Spur folgen.«
»Selbst wenn Sie Recht hätten, was hat das dann mit den Morden an der Frau und den Kindern zu tun? Und selbst wenn Holler senior bei diesen Polizeieinheiten war, warum bringt dann jemand seine Schwiegertochter und Enkel um? Die Ermordeten kaum, und deren Nachfahren, wie sollen die wissen, wer ihre Leute umgebracht hat? Das waren für die fremde Soldaten, einer so deutsch wie der andere. Das sind doch Hirngespinste, Herr Dr. Stachelmann.«
Stachelmann stand auf und sagte: »Herr Präsident, ich wollte nur meine Meinung sagen. Wenn Sie darauf keinen Wert legen, dann spinne ich lieber an der Uni weiter. Auf Wiedersehen!«
Der Präsident antwortete nicht, Taut und Ossi schwiegen.
Als Stachelmann den Türgriff in der Hand hatte, sagte der Präsident. »Sie können doch das, was wir hier besprochen haben, für sich behalten?«
Du meinst, dass dir der Arsch auf Grundeis geht so kurz vor den Wahlen? dachte Stachelmann. Es gefiel ihm, so derb zu denken. Er schloss die Tür hinter sich.
Auf seinem Schreibtisch im Philosophenturm lag ein Zettel. »Melde dich, Anne« stand darauf. Stachelmann ging zu ihrem Zimmer, es war kleiner als seines, aber gemütlicher. Dazu reichten ein Blumentopf und zwei Bilder an der Wand, die Hamburger Stadtansichten zeigten. Gewissermaßen wie beim Präsidenten, nur nicht in Öl.
»Ich bin neugierig, verzeih. Wie war’s bei Holler?«
Stachelmann berichtete kurz vom Gespräch mit Holler, länger vom Besuch beim Polizeipräsidenten.
Anne lachte. »Da hast du dich ja schön in die Nesseln gesetzt. Wenn du so weitermachst, landest du in Fuhlsbüttel bei den schweren Jungs. Und glaub bloß nicht, ich mogle dir eine Feile in den Kuchen.«
»Nein, aber vielleicht kommst du mit an den Strand?«
Sie schaute ihn an und fragte: »Zum Baden?«
»Wenn du willst, so Richtung Scharbeutz und Haffkrug.«
***
Ossi fluchte. Er versuchte Stachelmann anzurufen, aber niemand nahm ab. Er kriegte schließlich Renate Breuer an den Apparat. Sie wusste nicht, wo Stachelmann sich aufhielt. Seine Handynummer kannte sie nicht. Ossi knallte den Hörer auf die Gabel. »Ich versuch es später noch einmal.«
Er nahm das Fax auf seinem Schreibtisch in die Hand. Es war die Liste jener Makler, die ihre Firmen an Holler verkauft hatten. »Soll ich die mal abklappern? Der Kollege
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