Mann Ohne Makel
dazugebeten.«
Der Präsident schaut Ossi zornig an. »War das Ihre Idee?«
»Gewissermaßen«, sagte Ossi. Stachelmann merkte, Ossi dachte nicht daran, seinen Chef zu belasten. Es war Tauts Idee gewesen.
»Gewissermaßen!«, brüllte der Präsident. »Gewissermaßen! Vielleicht geben Sie mir eine vernünftige Antwort?«
»Ja«, sagte Ossi.
»Was ja? Ihre Idee? Oder Ihre freundliche Bereitschaft, eindeutig zu antworten?«
»Beides.«
»Sie wollen sich wohl lustig machen …« Der Polizeipräsident brach ab. Er setzte sich auf einen großen Stuhl hinter einem mächtigen Schreibtisch und schwieg.
Stachelmann amüsierte sich über die Ölschinken an der Wand, die Ruhmreiches aus der Hansezeit berichteten. Kogge in schwerer See. Marktplatz und Hafen. Er sah Ossis Finger hinter dem Rücken zittern.
Der Polizeipräsident bat sie mit einem ungeduldigen Fingerzeig, sich zu setzen. Ossi holte einen Stuhl, der an der Wand stand, Stachelmann setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.
»Wie kommen Sie dazu, jemanden in eine Ermittlung zu verwickeln, der keine polizeilichen Befugnisse hat?«, fragte er Ossi. Man sah ihm die Mühe an, die es ihm bereitete, ruhig zu bleiben.
»Der Fall hat vielleicht eine historische Dimension«, erwiderte Ossi. »Möglicherweise liegt der Schlüssel zur Lösung in der Vergangenheit. Außerdem, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, ziehen wir immer mal wieder Experten heran, die auch keine polizeilichen Befugnisse besitzen.«
Der Präsident nickte. »Aber nicht zu Vernehmungen.«
»Doch, manchmal sind Psychologen dabei. Außerdem haben wir Herrn Holler nicht vernommen, sondern uns bemüht, Informationen zu gewinnen, die uns vielleicht auf die Spur des Täters bringen. Und da fand ich es wichtig, jemanden mitzunehmen, der sich in der Geschichte auskennt.«
»Und was hat die Befragung ergeben?«
»Dass vielleicht der alte Holler Dreck am Stecken hatte. Aber das führt uns eher nicht weiter.«
»Der alte Holler?«
»Der war gewissermaßen Kollege«, sagte Ossi.
»Ich weiß«, sagte der Präsident. »Ich fürchte, viele Kollegen aus dieser Zeit haben Dreck am Stecken. Die Polizei unterstand Himmler. Nun hat natürlich nicht jeder Schupo Verbrechen begangen, auch nicht jeder Kriminalbeamte. Aber mit reiner Weste standen die Herren nicht da nach 45. Wenn ich nur an die Judenverfolgung denke. Das hätten die Nazis ohne Polizei gar nicht hingekriegt. Den Deportationsbefehl zustellen, die Leute aus der Wohnung holen, sie bewachen auf der Moorweide, sie zu den Zügen bringen. Das hat die SS allein nicht geschafft. Und glauben Sie, jeder Kripomann hat sich dagegen gewehrt, quasi eine Art Hilfsorgan der Gestapo zu sein? Diese braune Soße kommt immer wieder hoch.« Er wandte sich an Stachelmann. »Sie sehen das gewiss genauso?«
»Ja.«
»Wissen Sie, mein Vater war sozialdemokratischer Funktionär und Bürgerschaftsabgeordneter. 1935 haben die Nazis unsere Familie ins Exil getrieben. Ich bin gewissermaßen gebürtiger Franzose. Na ja, das tut hier nichts zur Sache. Nur Maximilian Holler, der hat mit all dem nichts zu tun, selbst wenn sein Vater ein Nazi war.«
Die Tür öffnete sich. Die Sekretärin des Präsidenten erschien mit einem Zettel in der Hand. Der Präsident las den Zettel und blickte auf seine Armbanduhr: »Sagen Sie das Mittagessen mit dem Herrn ab.« Die Sekretärin zog die Augenbrauen kaum sichtbar hoch, drehte sich um und verschwand.
Der Präsident putzte sich die Nase. »Sie haben es natürlich längst erraten, Herr Holler hat gleich bei mir angerufen, nachdem Sie dort weg waren. Er hat sich beklagt, Sie ermitteln nicht gegen den Mörder seiner Tochter, sondern gegen ihn. Sie graben alte Geschichten aus, die vielleicht einen Historiker« – der Präsident nickte Stachelmann zu – »interessieren, aber nicht die Polizei. Haben Sie keine andere Spur?«
Ossi schüttelte den Kopf. »Wir haben alles abgegrast. Wir suchen bisher vergeblich den Fahrer des Mercedes, der die Kollegin Kreimeier auf dem Gewissen hat. Wir wissen nicht einmal, ob der eine Fall etwas zu tun hat mit dem anderen. Wir haben im Fall Holler nicht einmal den Schatten eines Verdachts oder eines Motivs. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass in der Familie Holler etwas nicht stimmt.«
»Und was?«
»Da gibt es ein Konto von elf Millionen, ohne dass klar ist, woher das Geld kommt …«
Es klopfte an der Tür. »Herein!«, rief der Präsident. »Wo haben Sie denn gesteckt? Da gibt man Geld für
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