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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Verbotsschilder an den Strandzugängen und führte ihren Hund aus. Möwen und Krähen pickten Essbares aus dem Sand. Am Horizont eine Fähre, von Travemünde nach Dänemark oder Schweden.
    Anne hatte sich bei ihm eingehakt.
    Eine Idee setzte sich fest in seinem Kopf. Er wusste nicht, warum und warum in diesem Augenblick.
    »Was weißt du über die Polizei in der Nazizeit?«, fragte Stachelmann.
    »Nicht viel. Ist nicht mein Thema. So eine Art Hilfsorgan der Gestapo. Ist vielleicht übertrieben, aber so ungefähr.«
    »Sie haben die Juden zusammengetrieben. Diese Reservepolizeibataillone haben im Osten das Gleiche getan wie die Einsatzgruppen.«
    »Das Buch habe ich auch gelesen«, sagte Anne. »Wissenschaftlich solide, gut geschrieben. Ganz im Gegensatz zu Goldhagen.«
    »Der hat doch abgeschrieben«, sagte Stachelmann. »Ist was für die bundesdeutsche Erregungsgemeinschaft, bedient den Schuldkomplex, an dem meistens die leiden, die keine Schuld haben.« Stachelmann warf einen Stein in die Wellen. Er setzte zwei Mal auf, bevor er im Wasser versank. »Mein Vater war bei der Polizei. Ich habe das gar nicht gewusst. Vor ein paar Tagen hat er es erwähnt, so nebenbei. Als ich mit ihm über Holler gesprochen habe.«
    »Das lässt dich nicht los«, sagte Anne.
    »Weniger die Holler-Geschichte als die Frage, was mein Vater damals getrieben hat. Eingezogen zur Polizei, sagt er.«
    »Frag ihn!«
    »Davor habe ich Angst, aber ich werde es tun. Bald.
    Mein Gott, er ist ein alter Mann.« Er schaute hinaus aufs Meer. Die Fähre war zum Punkt geschrumpft. »Vielleicht tu ich es auch nicht. Stell dir vor, da war was, es ist nicht mehr zu reparieren. Und, verdammt, wer weiß, was ich getan hätte in seiner Lage.«
    »Trotzdem muss man fragen.«
    »Ja, wirklich? Er wird bald neunzig.«
    »Ich hätte bestimmt ein hübsches BDM-Mädel abgegeben«, sagte Anne.
    »Hübsch, ja. Aber die falsche Haarfarbe.«
    »Man kann nicht alles haben.«
    Sie gingen schweigend bis zum Anleger in Haffkrug. Auf der Strandpromenade kehrten sie zurück zum Auto, für das Stachelmann erstaunlicherweise einen Parkplatz an der Straße gefunden hatte, nahe dem Ortsschild.
    »Ich kenne in Lübeck eine nette Kneipe, Studenten, Musiker usw. Aber keine Studenten aus Hamburg.«
    »Was macht deine Freundin eigentlich?«
    »Wer?«
    »Na, Alicia.«
    Stachelmann tippte mit dem Zeigefinger an die Stirn.
    »Die hat hoffentlich längst ein anderer an der Backe. Lenk nicht ab, ich lade dich zum Essen ein. Die Kneipe heißt Ali Baba. da gibt’s Türkenkram.«
    »Schön, wenn du bezahlst, esse ich auch Döner.«
    Er lachte. »Ich glaube nicht, dass es dort nur Döner gibt.«
    Stachelmann spürte die Spannung, als sie nebeneinander im Auto saßen. Sie sagten nichts. Aber Stachelmann ahnte, was sie dachte. Und er wusste, dass sie ahnte, was er dachte. Dann wuchs die Angst in ihm, vor seiner Feigheit, vor der Aufdeckung seiner Macken, von deren Existenz er wusste, die er aber nicht als solche begreifen konnte, weil sie zu ihm gehörten wie Nase und Augen.
    Er spürte es hin und wieder an der Reaktion anderer Menschen. Heute quälten ihn die Rückenschmerzen besonders stark. Sie schaute auf die Uhr: »Es wird spät heute Abend.«
    ***
    »Wir haben ihn!«, rief Wolfgang Kurz. Er riss die Tür zu Tauts Zimmer auf.
    »Wen?«, fragte Taut.
    »Den Fahrer!«
    »Wer ist es?«
    »Oliver Stroh. Wohnt in Steilshoop. Diverse Vorstrafen, schwere Körperverletzung, Trunkenheit am Steuer und so weiter.«
    Zwei uniformierte Polizisten zerrten einen Mann in Tauts Zimmer. Er schimpfte, es war kaum verständlich. Taut winkte ab und rümpfte die Nase. »Führt ihn in ein Vernehmungszimmer.«
    Die Beamten zerrten den Mann zurück in den Flur.
    »Und wie kommt ihr auf den?«
    »Der saß in einer Bierkneipe und soff. Erst still, aber dann riss er die Schnauze auf. Der Wirt hörte, wie er damit prahlte, er könne jedes Auto knacken. Und dann fing der Bursche an zu faseln. Wer sich ihm in den Weg stelle, werde umgenietet. Er kenne keine Gnade. Dann sagte irgendein Gast, Stroh solle nicht rumschreien, sie wollten in Ruhe ihren Skat spielen. Da drehte Stroh erst richtig auf. Sie sollten alle die Schnauze halten. Er habe vor niemandem Angst, habe gerade eine Polizistin platt gemacht. Da wurde der Wirt aufmerksam. Von dem Mord an Ulrike hatte er gelesen. Er rief uns an, und wir haben uns den Kerl geholt.«
    Taut überlegte es sich anders. »Lasst ihn erst mal seinen Rausch ausschlafen. Morgen quetschen

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