Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
ausstieg. Der Streckenplan an der Seitenwand verriet ihm, dass er in der U 6 saß. Als sie in die Haltestelle Oranienburger Tor einliefen, wusste Stachelmann, die Bahn fuhr in Richtung Steglitz. Am U-Bahnhof Unter den Linden sah Stachelmann den Mann auf dem Bahnsteig. Er ging zügig in Richtung Pariser Platz. Stachelmann beeilte sich. Er verließ den UBahn-Wagen und folgte dem Mann. Der lief in Richtung Brandenburger Tor, vorbei an der russischen Botschaft, an deren Eingang zwei Polizisten patrouillierten. Der Mann ging ins Hotel Adlon. Stachelmann näherte sich dem Eingang, durch eine Scheibe sah er, wie der Mann sich am Empfang den Zimmerschlüssel geben ließ, dann verschwand er, war wahrscheinlich zu den Aufzügen gegangen. Stachelmann betrat vorsichtig die Empfangshalle. Dich hat der Teufel geritten, dachte er. Er schaute sich um und trat dann an den Tresen des Empfangs. Ein fein gekleideter Hotelangestellter musterte ihn mit unbewegtem Gesicht.
    »Guten Tag, sagen Sie, wie hieß der Mann, der gerade seinen Schlüssel abgeholt hat?«
    Der Hotelangestellte schaute ihn an, jetzt erst fiel Stachelmann wieder ein, dass seine Kleidung verdreckt war.
    »Das darf ich Ihnen nicht sagen. Aber wenn Sie eine Nachricht hinterlassen wollen, werde ich sie dem Herrn sofort überbringen lassen.«
    Stachelmann holte einen Fünfzig-Mark-Schein aus dem Portemonnaie und legte ihn auf den Tisch.
    Der Hotelangestellte blickte ihn scharf an. »Mein Herr, Sie sind hier im Adlon.«
    Stachelmann steckte den Geldschein wieder ein und verließ die Empfangshalle. Draußen schaute er sich um, ob der Mann mit dem grauen Jackett ihm folgte, und entschied sich, in Richtung Mitte zu laufen. Ins Haus Morgenland beim Bundesarchiv traute er sich nicht, sicher war er nur in einer Unterkunft, in der er sich mit falschem Namen eintrug. Er ging an der Humboldt-Universität vorbei, sein Steißbein und die Knie schmerzten. Auf der Karl-Liebknecht-Straße bog er links ab in Richtung Spandauer Brücke. Er entdeckte einen Geldautomaten und hob tausend Mark ab. Hin und wieder drehte er sich um, aber er sah nichts. Er bog in eine Seitenstraße ein und wartete einige Sekunden. Dann kehrte er um, niemand zu sehen. Ein Glas splitterte. Stachelmann fuhr zusammen. Er schaute in die Richtung, aus der das Splittern gekommen war. Ein Mann torkelte am Arm einer Frau. Sie schrie ihn an, er lallte. Stachelmann lief weiter, ohne zu wissen, wohin. Er war müde und hungrig. Er verlor die Orientierung. Die Knie wollten nicht mehr, fast wäre er umgeknickt. Am Ende einer schmalen Straße sah er ein Neonlicht, es war rot und blinkte. Er steuerte auf das Neonlicht zu. Hotel Elvira, das zweite L und das R waren erloschen, blinkten nicht mit. Die Tür war offen. Stachelmann stieg drei Treppenstufen nach oben. Am Tresen saß ein Mann und schlief. Hinter seinem Rücken hingen in zwei Reihen untereinander Schlüssel mit messingfarbenen Schildern. Stachelmann klopfte auf den Tisch. Der Mann schnarchte, er stank nach Schnaps. Stachelmann klopfte fester auf den Tisch. Der Mann öffnete seine Augen und blinzelte Stachelmann an. Dann gähnte er. Es stank schlimmer. Der Mann fuhr sich mit der Hand durch die Haare, griff hinter sich, nahm einen Schlüssel und legte ihn auf den Tresen. Er griff unter den Tresen und hatte zwei Handtücher in der Hand, sie sahen verschlissen aus. »Zimmer 16 im ersten Stock. Dreihundert Mark im voraus«, sagte er. »Dafür können Sie bis morgen früh ausschlafen.« Er schaute an Stachelmann vorbei zur Tür. »Wo ist denn die Süße?«, fragte er.
    Stachelmann zählte dreihundert Mark ab auf dem Tresen und stieg die Treppe hoch. Er fand das Zimmer, ging hinein und legte sich aufs Bett. Das Licht der Neonschrift blinkte ins Zimmer. Stachelmann lag mit dem Rücken auf der Matratze. Er war erschöpft und hatte Schmerzen. Er konnte nicht klar denken und nicht einschlafen. Das Rauschen der Stadt drang ins Zimmer.
    Endlich war er doch eingeschlafen. Als er aufwachte, starrten ihn zwei schwarze Augen an. »Du aufstehn, Nacht zu Ende sein«, sagte die Frau, sie trug ein hellblaues Kopftuch. Sie warf einen Blick auf die Handtücher, die neben Stachelmann lagen, und schüttelte den Kopf. Stachelmann erhob sich und blickte in den Spiegel über dem Waschbecken, das einmal weiß gewesen sein musste. Er betrachtete seine Kleidung und verstand die Türkin. Sie wischte mit dem Staubwedel über den Stuhl und den Nachttisch. Einer, der eine Nacht im Bordell allein in

Weitere Kostenlose Bücher