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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Anfang an. Ich verstehe kein Wort.« Sie klang besorgt.
    Er berichtete ihr in kurzen Zügen, was geschehen war.
    »Warum gehst du nicht zur Polizei?«
    »Die ist sogar zu mir gekommen. Die glauben mir kein Wort.«
    »Und Ossi?«
    »Genauso wenig.«
    Anne sagte eine Weile nichts. »Soll ich kommen?«
    »Ich dachte, Bohming hätte dich sagenhaft eingespannt.«
    »Und wie. Aber könnt ja sein, dass meine Oma im Sterben liegt.«
    »Manchmal sind Omas doch hilfreich.« Annes Angebot rührte ihn, aber sie konnte ihm nicht helfen. »Nein, ist nett von dir. Ich lass mich lieber allein ermorden.« Er mühte sich, darüber zu lachen wie über einen Witz. Die Angst meldete sich zurück.
    »Wie du willst, das Angebot steht.« Sie klang enttäuscht.
    »Nee, es reicht, wenn du zur Beerdigung kommst.«
    Sie legte auf.
    Stachelmann starrte auf das Handy und verfluchte sich. Manchmal wollte er nur witzig sein, und doch verletzte er jemanden. Einige Augenblicke lang wollte er Anne zurückrufen. Aber dann ließ er es. Es war besser, sie bliebe in Hamburg. Er legte sich aufs Bett und starrte an die Decke. In einer Ecke saßen zwei Spinnen, kleine Körper, lange Beine. Sie bewegten sich nicht. Im Licht glitzerte ihr Netz. Er taufte sie Amalie und Alberta. Er schloss die Augen und überlegte. Es war ihm Seltsames widerfahren in Berlin. Der Mörder wohnte im Adlon. Er hätte die Polizei zu ihm führen können, jedenfalls bis in die Empfangshalle des Hotels. Dort hätten sie warten können, bis er kam. Natürlich hätte der Mann es abgestritten. Stachelmann hätte ihm nichts beweisen können. Dass der Mann im Krankenhaus war? Dafür fand er gewiss eine einfache Erklärung. Oder er leugnete es einfach. Oder er schwieg, der Haftrichter müsste ihn laufen lassen. Es gab nichts, überhaupt nichts, was gegen den Mann sprach außer Stachelmanns Überzeugung, dass der Mann ihn ermorden wollte. Er verfluchte seine Angst. Hornblower hätte nicht weniger Angst gehabt, aber er hätte nicht erlaubt, dass sie ihn beherrschte.
    Er ging zum Empfang und besorgte sich beim Portier ein Branchentelefonbuch. Unter dem Stichwort Personenschutz fand er Einträge. Er entschied sich für Meyer Personenschutz und Auskünfte. Er wählte die Nummer der Firma. Es meldete sich eine Frauenstimme auf Berlinerisch, sie war kreischig. Dann hörte Stachelmann, wie sie rief: »Justav, komm her, Kundschaft.« Stachelmann legte auf.
    Er würde die Sache allein klären. Einen Leibwächter konnte er sich für ein paar Tage leisten, vielleicht zwei Wochen, dann war er pleite. Er legte sich wieder aufs Bett. Amalie war einige Zentimeter zur Wand hingekrochen, während Alberta weiter faul an der Decke hing. Es gab auch bei Spinnen solche und solche. Er öffnete das Fenster und hoffte, Fliegen und Mücken würden sich im Netz verfangen. Dann schlief er ein. Er rannte im Traum vergeblich vor einem Monster weg, das mit wässrigem Maul nach ihm schnappte. Es schüttelte an seiner Schulter, es war nicht das Monster, sondern Aische, die mit einer Einkaufstasche zurückgekommen war. Sie stellte die Tasche neben seine Füße und sagte: »Niemand mich haben gesehen. Hotel leer.« Sie zeigte auf die Tasche. »Habe auch Zahnbürste eingepackt und Kamm. Tasche Sie können behalten.«
    Stachelmann stand auf und schüttelte ihr die Hand. Er gab ihr zweihundert Mark. Als Aische gegangen war, duschte er und zog sich um. Er putzte sich die Zähne und fühlte sich gut. Er packte die schmutzigen Kleidungsstücke in Aisches Einkaufstasche und stieg die Treppe hinab. Er legte den Schlüssel auf den Tresen, der Mann schaute nicht hoch von seiner Lektüre. Als Stachelmann auf die Straße trat, war die Niedergeschlagenheit verflogen. Er ging zum nächsten U-Bahnhof, Turmstraße, und erreichte nach zweimaligem Umsteigen Lichterfelde-Süd. Die Leute drängten sich in den Zügen. Stachelmann spürte keine Schmerzen und genoss die Stunden, bis die Schmerzen zurückkehren würden.
    Als er das Archiv erreicht hatte, ging er in den Garderoben-raum und sperrte seine Einkaufstasche weg. Dann näherte er sich dem Eingang des Benutzersaals. Durch die Glastür sah er die beiden Männer von der Finanzbehörde Hamburg. Sie kehrten ihm den Rücken zu, lasen in Akten. Stachelmann betrat den Benutzersaal, sah Bender und winkte ihn hinaus in den Gang. Bender blickte ihn fragend an, kam dann aber.
    »Herr Bender, wie lange bleiben die beiden Herren noch im Archiv?«
    »Der Herr Carsten hat gesagt, bis heute Abend.«
    »Dann

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