Manner Lieben
klar.
Chris sah auf das Gemälde, das ihn so genau traf, als hätte er dafür Modell gestanden. Die für den Künstler typischen Grautöne zeigten sein Gesicht und ließen es so lebendig wirken, dass Chris ganz seltsam zumute wurde.
An der Seite der Leinwand war die Farbe etwas verwischt und Chris war wie elektrisiert, als er daran dachte, dass Benjamin sie auf seinen Händen und auf seiner Stirn verteilt hatte — eine indirekte Berührung zwischen Maler und Motiv. Chris drehte sich zu ihm um und flüsterte: „Danke, dass ich es sehen durfte. Es ist ... unglaublich!"
Erneut trafen sie sich zu einem Kuss. Was mit zarten Berührungen begann, wurde immer stürmischer und schon bald so drängend, dass Benjamin Chris an der Hand fasste und ihn aufforderte, ihm ins Schlafzimmer zu folgen. Als er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, griff Chris vorsichtig nach Marriotts Händen, und sah eindringlich in die Augen des Malers. „Ich möchte das nicht nur für einen One-Night-Stand. Ich möchte mehr."
Benjamin nickte und erwiderte: „Das möchte ich auch. Und übrigens — ich hasse dich nicht."
Nun lächelte Chris über das ganze Gesicht. Es tat verdammt gut, das zu hören!
Sag es niemals
Eine Bierflasche flog durch die Luft. Sie zerschmetterte an einem Pfosten, Scherben stoben umher. Im gleichen Moment spürte Frank den Schmerz und riss seine Hand hoch. Irgendetwas hatte sein Ohr getroffen und er brauchte nicht erst groß zu raten, was es gewesen war. Tobias, der die Flasche geworfen hatte, grinste nur kalt und zog dann ein Päckchen Zigaretten hervor. Die anderen Jungs blieben cool, während Frank auf seine Finger sah, die nun blutverschmiert waren.
„Scheiße", murmelte er und wühlte in seiner Jeans nach einem Taschentuch. Er fand keines und fluchte abermals leise. Niemand schien Notiz von seiner Lage zu nehmen. Justin und Roman blickten gelangweilt in eine andere Richtung. Roman nahm noch einen Schluck Bier, während Justin den Sand zu seinen Füßen mit den Schuhen glatt strich und dann mit dem Muster seiner Sohlen versah. Marek sah zu Tobias, der kräftig an seiner Zigarette zog. Frank wusste, dass Marek mehrfach tätowiert war. Es waren düstere Symbole, die unter den Ärmeln seines T-Shirts manchmal sichtbar wurden. Motive, die wer weiß was zu bedeuten hatten und die ihn insgeheim faszinierten. Frank wäre jedoch nie auf die Idee gekommen, ihn danach zu fragen, war Marek doch derjenige aus der Gruppe, der neben Tobias am aggressivsten wirkte. Er hatte Augen wie gefährliche Abgründe, dazu ein stets abweisendes Verhalten. Die Jungs hingen wie fast jeden Nachmittag auf dem Spielplatz rum. Sie redeten wenig und tranken viel. Frank war zum ersten Mal vor gut vier Wochen hierher gekommen, als Roman - ein alter Klassenkamerad - ihn am Kiosk angesprochen hatte. „Ey, was machst'n jetzt so?", hatte Roman gefragt und Frank hatte nur mit den Schultern gezuckt. Was sollte er schon machen? Einen Job suchen. Das Suchen funktionierte ja auch ganz gut, nur mit dem Finden wollte es einfach nicht klappen. Seine Ausbildung zum Heizungsinstallateur hatte er erfolgreich abschließen können, übernommen worden war er nicht. Frank hatte geglaubt, er würde auf die Schnelle etwas Neues finden. Nun suchte er bereits seit fünf Monaten, hatte Zoff mit seinen Eltern und lebte in den Tag hinein. Wenn er die Post aus dem Briefkasten fischte, bekam er Magenschmerzen. Große Umschläge bedeuteten nichts Gutes, und dennoch konnte er froh sein, wenn er seine Unterlagen überhaupt zurück geschickt bekam. Von den meisten Firmen hörte er einfach gar nichts. Das war frustrierend. Zwei Einstellungsgespräche hatte er gehabt, doch beide Male hatte man sich für einen anderen Bewerber entschieden. Frank wusste nicht, was an denen besser war, als an ihm selbst. Er war doch nicht schlecht! Weder als Installateur noch als Mensch. Aber langsam fühlte er sich so — schlecht und abgewiesen.
Vielleicht war er deshalb mitgegangen, als Roman ihn gefragt hatte, ob er mit ihm und ein paar Kumpels ein paar Biere zischen wollte. Seitdem war er irgendwie dabei, aber noch war er das schwächste Glied der Gruppe. Das würde sich vermutlich erst ändern, wenn viel Zeit verstrichen war, oder wenn ein Neuer hinzu kam.
Im Moment schien Tobias draufzustehen, ihn als Fußabtreter zu benutzen. Es war kein Zufall, dass er die Flasche an den Pfosten genau neben ihm geworfen hatte.
Das hier war ein Test, ob Frank mehr brauchte, um zu kapieren, wer
Weitere Kostenlose Bücher