Manner Lieben
beinahe war es Frank so, als würden sie nun direkt in ihn schauen. So hatte er sie sich manches Mal vorgestellt, wenn in seiner Fantasie die Düsternis daraus verschwand und einer Wärme Platz machte, die nur ihm gelten würde.
„Ich hab keinen Bock mehr! Das Treffen ist beendet", sagte Tobias plötzlich.
Die Sache mit Mareks Auflehnung schien ihm mehr zu schaffen machen, als ihm lieb sein konnte. Frank vermutete, dass er seine Strategie in Ruhe überdenken wollte, ehe er noch einmal vor aller Augen ins Hintertreffen geriet. Justin und Roman waren vom Alkohol ziemlich benebelt, sie tranken mit Abstand am meisten und hatten schon vor dem Treffen gebechert. Eine kleine Flasche Korn hatte Justin bereits in der Hand gehabt, als sie eintrafen. Solange sie spurten, störte Tobias ihr Verhalten offenbar nicht.
„Los, macht schon! Haut endlich ab! Morgen um die gleiche Zeit. Jeder bringt mir Kippen mit", kommandierte Tobias und machte damit überdeutlich, dass er seine Stellung als Anführer unterstreichen wollte. Er verließ den Spielplatz als Erster, dicht gefolgt von Roman und Justin, die sich versehentlich mehrfach anrempelten. Auch Marek hatte sich dem kleinen Tor zugewandt, drehte sich jedoch wieder um und verharrte, nachdem die anderen drei um die nächste Ecke verschwunden waren. Frank wusste, dass Marek ihn dabei ertappt hatte, wie er die Scherben der kaputten Bierflasche einsammelte. Nun kam Marek zu ihm zurück. „Was machst du denn da?"
Frank hielt inne und vollführte eine vage Geste. „Ich schmeiße die in den Müll. Hier spielen Kinder ... manchmal", fügte er dann unsicher an und wusste, dass er diesmal den Weichei-Contest gewonnen hatte. Marek gab einen brummenden Laut von sich, dann bückte er sich zu Franks Überraschung und sammelte ebenfalls ein paar Scherben ein. Er griff auch nach der kleinen Kornflasche, die die beiden Kumpel einfach in den Sand hatten fallen lassen, und beförderte sie samt den Scherben in den Mülleimer.
„Ich glaube, das war's", sagte er dann rau. „Wir sollten auch von hier verschwinden."
Frank nickte und konnte sich kaum vom Anblick der geheimnisvollen Augen losreißen, die ihn zum ersten Mal so lange und ruhig betrachteten.
„Dein Ohr blutet immer noch. Ich glaube, der Schnitt sollte besser genäht werden", sagte Marek.
„Wirklich?", fragte Frank. Der Schmerz war so heftig wie zuvor. Ein Griff zu seinem Ohr bestätigte ihm, dass Marek recht hatte. „Ich verstehe nicht, warum er das macht", sagte Marek und schüttelte den Kopf. „Ich meine, was soll das? Jemanden absichtlich einfach so zu verletzen, ist doch krank!" Erstaunt starrte Frank ihn an. Mareks Blick verdüsterte sich von einer Sekunde zur anderen.
„Sieh mich nicht so an! Ich weiß genau, was du denkst. Ich hänge hier mit euch rum ... ich habe jede Menge Tattoos, und du hältst mich für genau so einen Schläger wie Tobias einer ist. Aber sag mir, Frank, hast du je gesehen, dass ich jemanden aus Spaß verletze?"
Die Frage klang so auffordernd, dass Frank augenblicklich den Kopf schüttelte.
„Nein, hab ich nie gesehen. Aber ich kenne dich ja auch noch nicht sehr lange", setzte er dann vorsichtig hinzu. Zu seinem großen Erstaunen lächelte Marek plötzlich. Es war das erste Mal, dass Frank jemanden aus der Clique lächeln sah. Zumindest wenn man von den Anfällen gemeiner Schadenfreude absah.
Mareks Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. „Beurteilst du die Menschen immer nach ihrem Äußeren?" Nun schüttelte Frank den Kopf, brachte jedoch kein Wort heraus.
„Ist schon okay. Habe ich nicht anders verdient, wenn ich mit so einem Arsch wie Tobias rumhänge. Aber ich verrate dir was. Ich werde nicht mehr herkommen. Ich meine, was soll das alles? Justin ist ein Mitläufer, der das Maul nicht aufkriegt. Dein Freund Roman macht vielleicht mal den Mund auf, aber was da rauskommt, kannst du vergessen. Sorry, aber er ist ein Idiot." „Er ist nicht mein Freund", warf Frank ein. Abermals lachte Marek, diesmal jedoch spöttisch, und er fragte herausfordernd: „Sind wir nicht alle Freunde? Wir sind schließlich eine Clique."
Frank verzog kurz den Mund, um deutlich zu machen, dass er Mareks Ironie verstanden hatte.
„Siehst du", sagte dieser, „ich bin eben zu der Einsicht gekommen, dass ich lieber auf solche ,Freunde' verzichte, die einander verletzen und dann einfach so tun, als sei das völlig normal. Ich meine, wenn ich mir ein Tattoo stechen lasse, dann ist das meine
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