Manner Lieben
Entscheidung. Dann nehme ich den Schmerz hin, weil ich etwas dafür bekomme, aber was du hier bekommst, ist den ganzen Scheiß nicht wert. Du kannst das natürlich anders sehen, aber ich bin aus der Sache raus."
Vor zwei oder drei Wochen wäre Frank vermutlich noch froh gewesen, diese Worte von Marek zu hören, denn der hatte ihm zu Anfang wirklich eine Heidenangst eingejagt. Inzwischen jedoch hatte er gemerkt, dass Marek eher der stille Beobachter war, auch wenn Frank immer das Gefühl gehabt hatte, dass er urplötzlich aus dem Hinterhalt zuschlagen könnte. Zugleich war dies jedoch einer der Gründe gewesen, warum er sich immer wieder auf dem Spielplatz eingefunden hatte. Zu sehen wie Marek, einer Raubkatze gleich, seine Position in ihrer Runde einnahm, hatte Frank auf eine Art gereizt, die er auf jeden Fall besser für sich behielt.
Das Problem war, dass er schon auf solche Typen gestanden hatte, bevor er überhaupt selbst realisiert hatte, dass er schwul war. Und Marek verkörperte so ziemlich alles, was Frank schwach werden ließ. Er war schlank, aber mit klar definierten Muskeln. Sein Haar war so dunkel wie seine Augen, seine Haut war hell. Er trug oft Leder, dunkle T-Shirts mit Aufdruck und schwarze Jeans. Ein gewaltiger Siegelring, der wohl seinem verstorbenen Vater gehört hatte, steckte an seinem Finger. Mehr wusste Frank nicht darüber, ebenso wenig, warum Mareks Vater so früh ins Gras gebissen hatte. Frank wäre auch nie auf die Idee gekommen, Fragen zu stellen, denn die Clique schwieg sich lieber an, als nur ein emotionales Wort miteinander zu wechseln. Alkohol war der Tröster für jeden von ihnen, und es war bereits — zwischenmenschlich gesehen — eine Höchstleistung, dass sie diesen gemeinsam in sich hinein kippten, statt jeder alleine in seiner eigenen Bude. So waren sie eben eine Clique — anderenfalls wäre jeder von ihnen nichts weiter als ein einsamer Säufer gewesen.
Wenn Marek nun diesen Treffen fernbleiben würde, wäre der einzige Mensch fort, der Frank dort überhaupt interessierte. Dem anderen das zu sagen, kam natürlich überhaupt nicht infrage, und so zuckte Frank kurz mit den Schultern. Eine Geste, die er sich in den letzten Wochen bei Roman und Justin abgeschaut hatte. Keiner von beiden muckte je auf. Ein Schulterzucken war ihre Antwort auf alles. Sie fügten sich, liefen mit und würden so gut wie jeden von Tobias' Befehlen ausführen. „Wieso sagst du, Roman wäre nicht dein Freund?", erkundigte sich Marek plötzlich, „Er hat dich doch hergebracht." „Ein Freund würde so was nicht tun", erwiderte Frank. Marek sah ihn interessiert an. Schließlich sagte er: „Du hast recht, ein Freund würde einen nicht zu solchen Losern schleppen."
Frank verfluchte stumm sich selbst, dann sagte er unbeholfen: „Du bist kein Loser. Aber ...", er zögerte. Vielleicht war das alles eine Falle? Vielleicht sollte Marek ihm nur mal genau auf den Zahn fühlen? Immerhin war Frank der Neue, und wenn er nicht zur Clique hielt, würde man ihn ausschließen — was sicher äußerst schmerzhaft vonstatten gehen würde. „Aber was?", erkundigte sich Marek, seine eindringlichen Augen forderten eine Antwort.
Frank nahm all seinen Mut zusammen und fuhr fort: „Aber Justin und Roman sind Loser. Sie gehören zu denen, die auch von einer Brücke springen würden, wenn es ihnen jemand befiehlt."
Marek lächelte knapp, dann fragte er: „Und du würdest nicht springen, wenn der große Tobias es dir befiehlt?" „Der ,große' Tobias ist ein Dreck gegen dich. Vor dir hab ich tausendmal mehr Angst." Nun war die Wahrheit raus und Frank wich dem forschenden Blick aus, starrte zu Boden und spürte, wie sein Gesicht rot wurde.
Ein Moment verstrich in Schweigen. Als Marek endlich etwas sagte, klang es rau. „Du hast Angst vor mir? Hab ich dir etwa je was getan? Hey, das war nicht ich mit der Bierflasche! Das war dieser Dreckskerl Tobias, der der Meinung ist, er wäre ein Anführer. Aber du hast Angst vor mir?"
Marek schien wirklich fassungslos zu sein. Frank senkte den Kopf und scharrte mit dem Fuß im Sand herum. Er stammelte: „Ich meine ja nur, dass du viel mehr drauf hast als er." „Woher willst du das wissen?", fragte Marek. Seine Stimme klang gereizt und Frank sah kurz hoch, um abzuschätzen, ob er sich gleich eine einfangen würde. Er rang sich zu einer Antwort durch.
„Ich weiß nicht genau. Ist nur so ein Gefühl." Marek brummte.
„Warum bist du zu den Treffen gekommen?", fragte Frank leise.
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