Manner Lieben
Haar gestrichen wurde. Marek sprach leise Worte, von denen Frank nicht wusste, ob er sie wirklich hörte, oder ob er sie sich nur einbildete.
„Du solltest mit dem Saufen aufhören. Das ist nicht gut für dich. Halt dich von Prügeleien und Typen wie Tobias fern. Du bist zu zart für so was. Ich bin jedes Mal tausend Tode gestorben, wenn du wieder auf dem Spielplatz aufgetaucht bist. Es gibt Leute, da macht es mir nichts aus, sie bluten zu sehen. Aber bei dir ... Du bist jemand, der nicht verletzt werden sollte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Tobias nach dir wirft. Ich konnte dich nicht beschützen."
Ganz langsam kehrte Franks Kreislauf zurück und sein Blick klärte sich. Marek war direkt über ihm, sah ihn mit diesen dunklen Augen an und streichelte ihn behutsam. Diesmal wich Frank seinem Blick nicht aus. Er hielt ihn fest, als hätte er Angst, sonst wieder in den Abgrund der drohenden Ohnmacht zu stürzen. Marek hörte nicht auf, ihn zu streicheln, obwohl er sehen konnte, dass Frank nun wieder bei vollem Bewusstsein war.
„Ich möchte nicht, dass du noch mal dahin gehst. Versprich mir das", hörte Frank ihn flüstern.
„Ich verspreche es dir", wisperte er zurück. Sein Puls steigerte sich unter dem intensiven Blickkontakt rasch.
Frank ahnte, dass Marek ihm inzwischen ansehen konnte, was er für ihn empfand, dennoch wollte er den Blick nicht abwenden.
Und Marek hörte nicht auf, ihm das Haar mit den Fingern zu durchwühlen.
„Sag es niemals jemandem. Zumindest nie einem Typen wie Tobias", flüsterte Marek, dann beugte er sich hinab und berührte sanft Franks Lippen. Er verharrte so, nur ein Hauch streifte Franks Mund. Es war eine Einladung, ohne bedrängend zu sein. Frank erschauerte. Sein ganzer Körper stand plötzlich unter Strom. Er kam Marek etwas entgegen, legte seine Hand in dessen Nacken und öffnete leicht die Lippen. Ihre Zungen berührten einander zärtlich, umspielten sich und schließlich kosteten sie sich gegenseitig. Ein Glücksgefühl durchströmte Frank, das ihn jeden Schmerz vergessen ließ. Marek hatte seine Homosexualität ebenso gut verborgen, wie er selbst, und Frank konnte kaum glauben, dass sie einander tatsächlich küssten. Wenn Tobias das sehen könnte, wären sie beide tot, schoss es Frank durch den Kopf. Aber wen kümmerte schon Tobias? Marek war so viel stärker als dieses aufgeblasene Windei. Frank konnte die Kraft spüren, die in Marek steckte. Sie war so präsent wie dessen düstere Ausstrahlung. Und er konnte Mareks Begehren spüren, das ihm galt. Marek küsste auf eine Art, die sanft und zugleich auch maskulin fordernd war. Elektrisiert gab Frank sich all dem hin, bewegte seine Hand im Nacken des anderen Mannes und zog ihn über sich. Unverkennbar konnte er nun die Erektion spüren, die sich hart an seine Hüfte presste. Marek beendete den Kuss zögerlich, strich sich einige Strähnen aus der Stirn und sagte schwer atmend: „Lass uns aus diesem Hauseingang verschwinden, bevor man uns die Bullen wegen unzüchtigem Verhalten auf den Hals hetzt." Er erhob sich, dann reichte er Frank lächelnd die Hand und half ihm auf.
Als sie aus dem Hauseingang traten, sahen sie sich rasch um. Niemand schien etwas bemerkt zu haben, doch was sich eben zwischen ihnen ereignet hatte, würde alles verändern. Das war eine aufregende und zugleich verlockende Gewissheit! Marek bestand darauf, Frank ohne weitere Umwege ins Krankenhaus zu bringen.
Frank hatte sich das Taschentuch wieder aufs Ohr gepresst, als er und Marek gemeinsam in der Notaufnahme saßen und darauf warteten, dass er aufgerufen wurde.
„Kommst du mit rein?", fragte Frank, als es endlich soweit war. „Klar", erwiderte Marek, erhob sich und ignorierte den überraschten Blick des behandelnden Arztes. Der beäugte ihn kritisch, als vermute er, dass Marek das Ohr seines Patienten selbst so zugerichtet hatte.
Während der Arzt die Spritze aufzog, um die Stelle zu betäuben, an der er würde nähen müssen, stahl sich Franks Hand in die von Marek, der auf dem Stuhl neben der Liege Platz genommen hatte.
Er konnte den Siegelring spüren und Mareks Körperwärme. Ein schönes Gefühl, von dem er ahnte, dass es weit länger andauern würde, als jeglicher Schmerz, den ihm Tobias hatte zufügen können.
Frank wusste, dass die Zeit seiner Einsamkeit von nun an der Vergangenheit angehörte. Die Zukunft, wie er sie sich erträumt hatte, konnte endlich beginnen.
Tour de Provence
Die Pension war genauso schön, wie im
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