Manner Lieben
Er ahnte, dass Marek ihm nun sagen würde, dass er sich besser um seinen eigenen Scheiß kümmern sollte. Doch der andere seufzte nur und schwieg. Frank wartete und hob seinen Blick wieder, damit Marek sehen konnte, dass er an einer Antwort wirklich interessiert war.
Marek zog die Nase geräuschvoll hoch und strich sich das Haar zurück. Seine Stimme klang belegt.
„Als mein Vater starb, war mir alles egal. Er war Taxifahrer. Meist ist er nachts gefahren, weil das mehr Kohle brachte. Vor etwa einem Jahr stiegen zwei Typen bei ihm ein, die ihn ausrauben wollten. Er wollte das Geld nicht hergeben. Sie kämpften und schließlich schlugen die Beiden so lange auf ihn ein, bis er starb. Zuerst fühlte ich gar nichts. Meine Mutter heulte, aber ich weinte nicht mal bei der Beerdigung. Scheiß Leben, wenn man für ein paar Kröten den Löffel abgeben muss. Schließlich wurde ich wütend. Ich musste einfach die Trauer in Wut verwandeln. Ist schwer zu beschreiben. Tobias hat mich zu der Zeit gefragt, ob wir uns zusammentun wollen. Eine Clique gründen. Ich wollte vergessen. Einfach nur nach Instinkt handeln. Tobias bot mir genau das an, Alkohol und eine Art von Gemeinschaft, ab und an eine Prügelei. Er laberte so lange auf mich ein, bis ich zustimmte, mich mal mit ihm zu treffen. Inzwischen hatte er auch Justin und Roman aufgetrieben. Aber er meinte, wir bräuchten noch mehr Leute, damit wir eine richtige Clique sind. Mindestens noch einen, den er wohl rumkommandieren wollte. Tobias hatte versprochen, dass derjenige, der noch jemanden mitbringt, einen Kasten Bier bekommt. Roman hat das Rennen gemacht. Und so bist du hier aufgetaucht. Na ja, wie dem auch sei ... Ich kam jedenfalls damals her und irgendwie habe ich seitdem den Absprung nicht mehr geschafft. Früher hat meine Mutter wegen meinem toten Vater geheult — jetzt weint sie wegen mir. Ich höre das jeden Abend, und dann nehme ich mir vor, nicht mehr zu den Treffen zu gehen. Aber am nächsten Tag ist sie weg, ich bin alleine und die Decke fällt mir auf den Kopf. Also kam ich her, um zu trinken und zu vergessen. Aber ich habe keine Lust, mir anzusehen, wie jemandem das halbe Ohr abgeschnitten wird, nur weil Tobias sich langweilt. Das ist vorbei! Ich war heute zum letzten Mal hier. Und wenn ich dir was raten darf, dann würde ich an deiner Stelle ebenfalls schnell die Biege machen. Tobias wird wütend werden, wenn ich weg bin, und er wird es an euch auslassen."
Marek senkte den Kopf, nachdem er so viel gesagt hatte, wie wohl alle anderen zusammen im ganzen Monat noch nicht. Er kramte in seiner Tasche und holte ein Päckchen Taschentücher hervor, um Frank ein weiteres zu reichen.
„Hör zu, dein Ohr sieht echt nicht gut aus. Lass uns zum Krankenhaus laufen, ist ja nur ein paar Straßen weiter. Hast du deine Krankenversicherungskarte dabei?"
Frank war irritiert. Ein solches Wort war noch nie im Sprachschatz der Clique aufgetaucht, und er musste lächeln, als Marek es nun aussprach.
„Ja, hab ich. Ist in meinem Portemonnaie." „Okay, dann los!", sagte Marek.
Gemeinsam verließen sie den Spielplatz. Frank blickte kurz auf das Taschentuch und sah, dass sein Ohr immer noch blutete.
„Meinst du echt, die müssen das nähen?", fragte er und spürte, wie ihm etwas flau wurde.
„Bin mir ziemlich sicher", gab Marek zurück.
„Scheiße", murmelte Frank erneut.
„Gut, dass die Scherbe dein Ohr getroffen hat und nicht dein Auge", gab Marek zu bedenken.
Bei dieser Vorstellung wurde Frank nun erst recht übel, und er musste einen Moment stehen bleiben, weil der Boden unter ihm heftig schwankte. Auch Marek blieb stehen und sah ihn überrascht an.
„Ist dir schlecht?", fragte er.
Frank zögerte einen Moment. Er wollte nicht so schrecklich wehleidig sein.
„Nein", gab er schwach zurück. In seinen Ohren dröhnte es, die Welt färbte sich schwarz.
„Lügner", hörte er Mareks Tadel, dann wurde er von starken Armen umfangen, die ihn zu ein paar Stufen eines Treppenaufgangs in einem Hausflur dirigierten.
„Langsam und tief durchatmen! Es ist gleich vorbei." Marek zwang ihn mit sanfter Gewalt, sich zu setzen und schließlich drückte er sogar Franks Oberkörper nieder, damit das Blut ihm nicht gänzlich in die Beine sackte.
Frank wollte etwas sagen. Sich rechtfertigen. Versichern, dass ihm so was sonst nie passierte. Aber er bekam kein Wort heraus, sondern musste sich ganz darauf konzentrieren, nicht bewusstlos zu werden.
Er spürte, wie ihm beruhigend durchs
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