Mannerfreie Zone
Unmengen von Namen fallen, und ich bin sicher, dass ich die Hälfte der Leute nie in meinem Leben wieder sehen werde, also nicke ich nur lächelnd, wenn er mich vorstellt.
„Ja, mein Freund Anthony hat mal wieder ein Drama gemacht, deswegen hat Eve sich bereit erklärt, mit einer Schwuchtel loszuziehen.“ Das gefällt den Jungs. Ich finde es bedenklich, wie hoch Adrians Stimme mit einem Mal klingt. Er spielt eine Rolle, als ob er superschwul wäre, der neue Superheld.
Endlich haben wir uns zu unseren Sitzen durchgedrängelt. Ich stelle überrascht fest, dass hier viele Frauen mittleren Alters und auch einige junge heterosexuelle Pärchen sind. Adrian erklärt mir nun mit seiner normalen Stimme, dass Jason in der Buchhaltung bei Sony arbeitet und wahnsinnig viele Leute kennt.
„Und er will wirklich Sänger sein?“
„Nein, ich glaube, dass es dafür jetzt etwas zu spät ist. Er macht das nur ein paar Mal im Jahr für seine Freunde. Und wie du siehst, kommen dann immer eine Menge Leute.“
Wir müssen übertrieben lange warten, bis die Show beginnt. Zumindest können wir so noch etwas trinken, auch wenn hier alles ziemlich wässrig schmeckt. Adrian grüßt immer noch diese älteren Männer, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Sie starren ihn ziemlich unverhohlen an. Jetzt weiß ich, warum es so wichtig war, das ich mitkomme. Anthony würde sonst ausflippen.
Schließlich beginnt die Show, und das Publikum dreht durch, als Jason auf die Bühne kommt. Ich habe einen heißen jungen Typen erwartet, aber Jason ist älter mit grauem Haar und einem kleinen Bauch. Ich werfe Adrian einen Blick zu, um herauszufinden, ob es sich vielleicht nur um ein Vorprogramm handelt, aber er klatscht frenetisch, also handelt es sich wohl doch um Jason. Ich versuche mir vorzustellen, wie Adrian und der Typ Sex miteinander haben. Igitt.
Jason beginnt mit dem Titel „Too Darn Hot“. Musicalsongs? Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich auf gar keinen Fall gekommen. Jason aber ist voll bei der Sache. Was ihm an stimmlichem Können fehlt (was eine Menge ist), gleicht er mit seiner dramatischen Präsentation aus. Ganz schön schlecht. Ich schaue immer wieder zu Adrian, weil ich darauf warte, dass auch er das bemerkt, aber er und der Rest des Publikums lieben es. Tabitha ist lieber mit ihrem neuen russischen Freund Vlad auf die Piste gegangen. Warum bringe ich mich immer selbst in solche Situationen?
Was noch schlimmer ist als Jasons Gesang, sind die lächerlichen Ansagen, die er vor jedem Song loslässt. Ich meine, er erzählt die ganze Zeit von sich selbst, aber warum? Warum hat jemand das Bedürfnis, all seinen Kollegen von seiner ersten Liebesgeschichte zu erzählen? Und dabei zielt er immer auf diese absehbaren Effekte ab, wenn er „Stormy Weather“ singt, fangen die Lichter zu flackern an und aus dem Lautsprecher erklingt Donnergrollen. Ich kann ein Lachen nicht unterdrücken. Zuerst ist es mir peinlich, aber dann wird mir klar, dass es aussieht, als ob ich heule, weil das nämlich die meisten im Publikum tun. Habe ich irgendwas verpasst?
Als die Show vorbei ist, besteht Adrian darauf, noch zu bleiben, um Jason zu gratulieren. Jason taucht wie ein Star auf, und ich beobachte, wie eine Menge Leute auf ihn zugehen, um ihn zu umarmen. Sie müssen blind und taub sein. Jason nimmt die Glückwünsche entgegen wie eine Diva. Dabei wirft er Adrian immer wieder Blicke zu. Er versucht, zu uns zu gelangen, aber er wird jedes Mal von der Masse seiner Verehrer aufgehalten. Ich kann das alles nicht glauben.
Schließlich ist Jason bei uns angekommen. Er packt Adrian und küsst ihn auf die Lippen. Adrian stellt mich vor und sagt dann, wie toll Jason gewesen wäre. Ich versuche, nett zu sein. Auch ich behaupte, dass seine Show toll gewesen wäre, aber er beachtet mich kaum, lässt Adrian nicht aus den Augen. Was für ein Lüstling! Ich kann nicht begreifen, warum Adrian sich das gefallen lässt. Es kommt noch schlimmer. Jason lädt Adrian auf einen Drink ein. Was für ein Horror. Am liebsten hätte ich Adrian umarmt, als er ablehnt. Aber er schlägt Jason vor, zu telefonieren und über die Show zu sprechen. Igittigitt!
Dann sind wir endlich draußen. Wir beschließen, in diesen Laden auf der Greenwich Avenue zu gehen, den wir beide mögen. Während ich meinen Tee trinke, betrachte ich Adrian prüfend und versuche, einzuschätzen, wie er die Show wirklich fand.
„Nun, das war ziemlich schlecht“, sage ich. Ich kann es nicht mehr länger
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