Mannerfreie Zone
Adrian anschreien, aber mir ist bewusst, dass wir noch immer angestarrt werden. Ich versuche ruhig zu bleiben und über meine Antwort nachzudenken.
„Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, zu behaupten, ich sei schwulenfeindlich. Das finde ich ziemlich beleidigend. Tut mir Leid, ich habe die Show einfach nicht sonderlich gut gefunden. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich eine Homophobie habe oder ein Feigling bin. Ich glaube, du ärgerst dich über was ganz anderes, vielleicht war es nicht leicht für dich, Jason wieder zu sehen, oder vielleicht geht es um deinen Streit mit Anthony, ich habe keine Ahnung, aber ich finde es nicht fair, dass du das an mir auslässt.“
Adrian schüttelt erneut den Kopf und nimmt einen Schluck von seinem Tee. Ich sehe, wie die Leute sich noch etwas weiter nach vorne beugen, um auch alles von unserem Gespräch mitzubekommen.
„Da du mit deinem Tee fertig bist, Eve, möchtest du vielleicht gehen?“
Ich nicke. Wir bezahlen und gehen.
Schweigend laufen wir zurück. Es ist so kalt, dass wir sehr schnell gehen. Als wir bei der 18. Straße, also bei Adrian, ankommen, dreht er sich zu mir um.
„Also, äh, ich wünsche dir eine gute Nacht. Grüß Roseanne.“
„Werde ich. Mach’s gut.“ Das ist alles.
Kein New-York-Kuss. Überhaupt nichts.
Roseanne ist noch wach und schaut David Letterman. Sie sitzt mit einer Decke auf der Couch. Ich kann ihre Hände nicht sehen und könnte schwören, dass sie … na ja, egal, ich will gar nicht darüber nachdenken. Vielleicht bin ich ja auch prüde.
„Und wie war’s?“
„Beschissen. Adrian findet, dass ich bescheuert und schwulenfeindlich bin. Unsere Freundschaft ist wahrscheinlich vorbei. Ich schätze, das macht nichts, weil ich ihn ja sowieso nur benutzt habe, weil es schick ist. Du weißt schon, weil es cool ist, einen schwulen Freund zu haben.“
„Wow!“ sagt Roseanne. Sie hört mir nicht wirklich zu, weil David gerade mitten drin ist in seinem Monolog. Wir wünschen uns eine gute Nacht (sie will wahrscheinlich lieber alleine sein). Ich versuche, Tab zu erreichen, aber sie nimmt nicht ab. Sie hat schließlich ein Date mit Vlad, ihrem Februar-Mann. Ich überlege einen Moment, ob ich Rob anrufen soll, aber ich weiß nicht, ob wir schon diese Art von Beziehung haben. Noch ist es zu früh, um ihm meine Schwächen zu zeigen oder zuzugeben, was meine Freunde von mir halten.
Also ereilt mich das schlimmste Schicksal: Ich bin mit mir alleine gelassen. Ich glaube nicht, dass ich eine Homophobie habe, und ich will nicht, dass Adrian das denkt. Vielleicht bin ich wirklich zu kritisch (Oh Gott, vielleicht bin ich einfach ein ganz mieser Mensch). Wahrscheinlich ist es schon ziemlich klasse, ein ganzes Theater mit seinen Freunden füllen zu können (immerhin waren etwa siebzig Leute da) und einfach loszusingen, ganz egal, wie gut oder schlecht man klingt. Vielleicht hat Adrian Recht, wenn er davon spricht, es einfach mal zu tun. Vielleicht sollte ich auch mal was tun.
Nein, das ist doch lächerlich. Ich bin dreiundzwanzig. Ich bin zu jung. Ich werde nicht zulassen, dass Adrian mich so fertig macht. Ich wüsste nicht einmal, wo ich mit meinem so genannten Traum überhaupt anfangen sollte. Ich hoffe nur, dass ich Adrian nicht für immer verloren habe. Das wäre blöd.
Was für ein schrecklicher Arbeitstag. Aus irgendeinem Grund ist wirklich viel zu tun. In Wirklichkeit ist es natürlich nicht viel, aber verglichen mit meinem üblichen Pensum ist es so viel, wie ich sonst in zwei Wochen erledige. Lorraine übergibt mir einige ihrer Aufgaben, Herb bittet mich, ungefähr acht Meetings vorzubereiten, und außerdem muss es einen Materialteufel geben, der den Kollegen alles stiehlt. Dauernd kommt jemand an meinen Tisch und will Kugelschreiber oder mehrfarbige Post-It-Blöcke. Und nun raten Sie mal, welche unterqualifizierte Autorin mich damit schikaniert, dass ich ihr bei ihrer bescheuerten Spesenabrechnung helfe. Dieser Job ist einfach superlangweilig.
Tabitha hat eine Krise wegen Vlad, aber ich habe am Telefon nicht so ganz begriffen, worum es geht. Ich erwäge, Adrian irgendeine dumme Witzmail zu schicken. Vielleicht hilft das ja, wieder den Kontakt aufzunehmen. Aber ich tue es doch nicht. Außerdem habe ich Rob seit drei Tagen nicht mehr gesehen und beschließe, mal eben auf seinem Stockwerk vorbeizuschauen. Ich habe mir eine Pause verdient.
„Sherman, wie geht’s?“ frage ich, als ich hinter ihm auftauche.
„Großartig,
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