Mannerfreie Zone
für mich behalten. Er sieht schockiert aus.
„Was meinst du?“
„Komm schon, Chansons! Und als er dieses Michael-Bolton-Lied gesungen hat – was zum Teufel sollte das sein? Das war ganz schön tuckig.“
„Nun, er ist schwul.“
„Klar, aber deshalb muss seine Show doch nicht schlecht und voller Klischees sein.“ Plötzlich wird Adrian so sonderbar, ich habe das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben.
„Eve, ist dir aufgefallen, dass es jedem anderen gefallen hat?“
„Ja, aber sie waren alle …“
„Was? Nur ein paar Schwule?“ Was will er damit sagen?
„Nein, seine
Freunde
. Hier geht’s nicht um Sexualität.“
„Ich wusste ja gar nicht, dass du dich so gut auskennst.“
„Adrian, warum wirst du denn so böse? Ich kenne mich vielleicht nicht so gut aus, aber ich weiß, wenn etwas schlecht ist.“
„So. Und wie erklärst du dir, dass die Leute geweint haben?“
„Nun, es hat mich überrascht, weil du mir gesagt hast, dass sie alle bei Sony arbeiten, und ich dachte, sie müssten es besser wissen. Aber ehrlich, manche Menschen sind einfach gerne sentimental. Ich glaube, dass die Leute, die geweint haben, einfach weinen wollten.“
„Und damit hatte Jason nichts zu tun?“
„Er hat einfach ein paar schnulzige Lieder ausgewählt, und die Leute haben darauf reagiert, das ist alles.“
„Sie wollten einen Freund sehen, einen Freund unterstützen. Sie konnten seine Erfahrungen verstehen, ich meine, ob er Talent hat oder nicht, spielt keine Rolle, entscheidend ist nur, dass er da auf der Bühne stand und über Dinge gesungen hat, die ihm wichtig sind. Es war nicht glamourös, es war nicht toll, es war einfach nur ein Typ, der mit dem Herzen dabei war und sein Bestes gegeben hat. Du redest immer eine Menge, Eve, du bist ja so furchtbar kritisch, aber selbst tust du nie etwas. Jason wird zwar nie Karriere als Sänger machen, aber er ist mutig genug, sich vor seine Kollegen zu stellen und das zu tun, wovon er immer geträumt hat. Dazu braucht man Mut, Eve, und es ist ziemlich leicht, dazusitzen und zu lachen, wenn man selbst nie ein Risiko eingeht.“
Wow! Nun ist die Lage definitiv angespannt. Aber das ist nicht der richtige Ort, um einen Streit auszutragen. Hier ist es zu eng. Die anderen Gäste haben schon aufgehört zu sprechen. Sie alle lauschen Adrians oscarverdächtiger Szene. Ich hasse das.
„Nun, ich wusste gar nicht, dass du mich für eine solche Versagerin hältst, Adrian. Ich muss aber schon gestehen, dass es mich ein wenig schockiert hat, wie du dich von dem Typen hast anmachen lassen. Ist das auch mutig, oder wie?“ Manchmal sage ich Dinge und hoffe gleichzeitig, dass sie nicht so schlimm klingen, aber diesmal ist es so. An Adrians Blick erkenne ich sofort, dass ich etwas gesagt habe, was ich nicht mehr rückgängig machen kann. Ich versuche mich genau dran zu erinnern, was er eigentlich gesagt hatte, um so eine Antwort zu verdienen. Ich will eine Entschuldigung dafür finden, dass ich so verärgert bin.
Adrian starrt in seinen Tee und schüttelt den Kopf. Die anderen Gäste in dem Café halten den Atem an und warten auf seine Antwort. Ich frage mich, wie lange sie wohl so ausharren, an unseren Lippen hängen werden. Wahrscheinlich glauben sie, dass Adrian mein Liebhaber ist, und halten alles für noch schlimmer, als es sowieso schon ist. Aber wahrscheinlich wäre es eher zu entschuldigen, wenn man mit seinem Liebhaber so spricht. Aber einen Freund darf man nicht so tief unter der Gürtellinie angreifen. Als Adrian antwortet, klingt seine Stimme dunkel und belegt.
„Ich weiß nicht, was du wirklich von mir hältst, Eve. Wahrscheinlich findest du es einfach cool, einen schwulen Freund zu haben. Es ist schick, und du würdest doch auf keinen Fall einen Trend verpassen wollen. Jason und ich kennen uns, seit ich zum ersten Mal nach New York kam. Vielleicht kommt er dir wie ein alberner Kasper oder so was vor – hör auf die Augen zu verdrehen, hör mir einfach zu. Er ist klug und witzig, und meine Beziehung zu ihm war nicht sehr anders als deine Beziehung zu Rob King. Das Ding mit dem älteren Mann. Und ob du’s glaubst oder nicht, Jason hat mir das Herz gebrochen. Ich sage es nicht gerne, aber ich glaube, du magst ihn nicht, weil er für deinen Geschmack ein bisschen zu extravagant ist. Es ist cool, einen schwulen Freund zu haben, aber zu schwul sollte er auch nicht sein, stimmt’s?“ Es ist wirklich nicht leicht, dieses Gespräch zu führen, denn eigentlich will ich
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